: Aufbereitungslücke im Atomkonsens
Brennelemente aus Forschungsreaktoren dürfen auch nach 2005 wiederaufbereitet werden. Heute startet Transport aus Geesthacht und Schweden Richtung USA. Bundesamt verlängert Gorleben-Genehmigung
BERLIN taz ■ Deutsche Brennelemente dürfen auch nach 2005 wiederaufbereitet werden – trotz Atomkonsens. Der schreibt den privaten Kraftwerksbetreibern eigentlich einen Stopp der Wiederaufbereitung ab 2005 vor – die Abfälle müssen direkt zwischen- oder endgelagert werden. Das aber gilt nicht für Forschungsreaktoren. Die staatlichen Anlagen sind in der Atomnovelle vom Wiederaufbereitungsstopp ausgenommen. Unklar ist, was künftig mit dem radioaktiven Forschungsmüll passieren soll. Bisher werden die Abfälle in die USA verschifft. So sollen heute 66 abgebrannte Brennstäbe aus dem Forschungsreaktor Geesthacht bei Hamburg in den Hafen von Nordenham bei Bremerhaven transportiert werden. Von dort wird das angereicherte Uran mit 112 weiteren Brennelementen aus Schweden in die USA verschifft. Zielort: das Endlager von Savannah City. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigte die Mülllieferung bereits vergangene Woche.
„Diese Gesetzeslücke zeugt von hoher umweltpolitischer Verantwortungslosigkeit“, sagt der Berliner Grüne Hartwig Berger. „Es darf nicht sein, dass sich der Staat für Forschungszwecke Umweltschweinereien genehmigt, die er der Privatwirtschaft aus gutem Grund verbietet.“ Von dem einsamen Protest ließ sich die rot-grüne Regierungskoalition freilich nicht beeindrucken. Die erste Lesung des Gesetzes passierte den Bundestag am Mittwoch. Dabei ist das Problem den Behörden durchaus bewusst. Das Wirtschaftsministerium erarbeitet gerade eine Studie, in der Szenarien der künftigen Entsorgung geprüft werden sollen. Über den Inhalt konnte das Ministerium noch keine Angaben machen. Mit den Transporten in die USA jedenfalls ist ab 2006 Schluss – die Vereinigten Staaten möchten nicht mehr als Müllkippe für hochradioaktive Abfälle herhalten.
Einen besonderen Stellenwert hat in der Disukssion der geplante Forschungsreaktor in München-Garching. Der Reaktor der Ludwigsuniversität soll mit extrem hoch angereicherten Uran laufen. Er wäre einmalig in Deutschland. Bei ihm stellt sich die Frage der Entsorgung der abgebrannten Brennstäbe in besonderem Maße: Das Material wäre waffenfähig. Die bayrische Staatsregierung hat bisher lediglich vorgeschlagen, den Müll im westfälischen Ahaus langfristig zu lagern – oberirdisch in Castor-Behältern. Damit ist das Problem aus bayrischer Sicht gelöst. Das Bundesumweltministerium ist von diesen Vorschlägen wenig angetan: „Das ist ein offener Streit“, sagt ein Ministeriumssprecher, „das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.“
Unterdessen hat das BfS gestern die Transportgenehmigung für sechs Castor-Behälter aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben bis Ende des Jahres verlängert. Das Land Niedersachsen hatte versichert, dass es auch nach den Anschlägen in den USA den notwendigen Schutz gegen Störungen und „sonstige Einwirkungen Dritter“ gewährleisten könne.
CONSTANTIN VOGT
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