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Von Gott verlassen

Ein Phoenix-Themenabend über Afghanistan zeigt Not und Elend der Mudschahedin (Sa., ab 21.45 Uhr)

„Dieser Fuß ist nur noch ein einziger Brei“, sagt der italienische Chirurg Gino Strada und zeigt auf einen blutigen Klumpen. Dann schärft er ein rostiges Sägeblatt und amputieren dem jungen Minenopfer das Bein.

Strada ist in Afghanistan in das Gebiet der gegen die Taliban kämpfenden Nordallianz gereist. Für die dort kämpfenden Mudschaheddin („Gotteskrieger“) hat sich vor dem 11. September kaum noch jemand interessiert. Seitdem werden sie als potenzielle Bodentruppen einer Anti-Terror-Koalition gehandelt und schon fast wieder zu Hoffnungsträgern stilisiert.

Als Gründer der Hilfsorganisation Emergency baut Strada kurz hinter der Front eine Notfallklinik auf. Seine Arbeit und das Elend der nach zwanzig Jahren Krieg zermürbten Menschen haben die italienischen Fernsehjournalisten Fabrizio Lazzaretti und Alberto Vendermmiati mit der Kamera begleitet. Ihren preisgekrönten Dokumentarfilm „JUNG im Land der Mudschaheddin“ zeigt Phoenix erstmals in deutscher Fassung, dazu zwei Expertenrunden und zwei weitere Dokus („Die Fahne ist das Leichentuch“, 0.30 Uhr, und „Allein in Afghanistan“, 1.00 Uhr).

JUNG heißt Krieg auf Dari, der persischen Sprache der die Nordallianz dominierenden Tadschiken. Gezeigt werden Kämpfe, immer wieder auffahrende Panzer und Verwundete. Die Hintergründe des Konflikts kommen leider trotz der 114-minütigen Länge des Films zu kurz. Ausführlich wird der Kampf des Arztes und seiner couragierten Krankenschwester um das Leben der Opfer dokumentiert. Die beiden können kaum so schnell amputieren, wie es neue Opfer gibt. Aus der Bauruine einer Polizeischule entsteht schließlich ein schmuckes Krankenhaus. Der Film wirbt für die Hilfsorganisation und verhalf ihr in Italien zu einem Spendenboom. Doch der große Wert besteht in der Dokumentation des außerordentlichen Leids. Immer wieder kommen Opfer selbst zu Wort und verdeutlichen den Irrsinn dieses Krieges. Ein Vater mit seinem verstümmelten Kind auf dem Arm schwört Vergeltung an den Kindern der Täter, ein Junge stellt lapidar fest: „Die Kugel ist glatt durch mich durchgegangen“, und ein Mädchen sagt: „Als ich noch Beine hatte, hatte ich noch eine Zukunft.“ Der Film zeigt schonungslos die Not und Verzweiflung, ohne dabei reißerisch zu sein. „Wahrscheinlich ist der Tod besser als das hier“, sagt eine Afghanin und kommt damit der Wahrheit sehr nahe. Viele Bilder des Films sind schwer zu ertragen und nur schwer zu vergessen.

Afghanistan ist seit dem 11. September wieder in den Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. Dabei stehen die gezeigten Minenopfer nur stellvertretend für die vielen Kriegsopfer anderswo, die jetzt in Vergessenheit zu geraten drohen.

SVEN HANSEN

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