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Selbst ernannter Krisenmanager

New Yorks Bürgermeister Giuliani will wegen Terrorfolgen Amtszeit verlängern. Zahl der Toten nach unten korrigiert

BERLIN taz ■ Er wäre wohl nicht der Vollblutpolitiker, der er ist, wenn er nicht den Versuch unternehmen würde, aus der ungeheuren Popularität, die ihm sein Agieren nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center eingebracht hat, politisches Kapital zu schlagen: Rudolph Giuliani, Bürgermeister von New York City, will weitermachen. Er fühle sich verpflichtet, sagte er, „die Einheit zu bewahren, die in der Stadt existiert“.

Eigentlich muss der krebskranke Republikaner nach zwei Amtszeiten Ende des Jahres ausscheiden. Die Vorwahlen für die Kandidaten um seine Nachfolge sollten ursprünglich just am 11. September stattfinden, wurden aber wegen der Anschläge verschoben. Bei den Republikanern hat sich inzwischen Michael Bloomberg durchgesetzt, bei den Demokraten wird der Kandidat erst am 11. Oktober bestimmt – zur Wahl stehen Mark Green und Fernando Ferrer.

Allen dreien hat Giuliani jetzt ein Ultimatum gestellt: Entweder sie willigten ein, dass er noch drei Monate länger im Amt bleibt, oder er werde auf dem Ticket der Republikaner für eine weitere Amtszeit kandidieren. Darüber habe er, ließ er den republikanischen Kandidaten Bloomberg wissen, auch schon mit der Parteiführung gesprochen.

Bloomberg und Green wollten sofort einer Verlängerung der Amtszeit zustimmen und lobten das allseits gepriesene Krisenmanagement Giulianis noch einmal in den höchsten Tönen. Dagegen sprach Ferrer von der Gefahr, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen werde, der schwer mit der wohl begründeten Beschränkung der Amtszeit in Einklang zu bringen sei. Er wolle Giuliani vielmehr bitten, auch weiterhin die Aufräumarbeiten am „Ground Zero“, dem Trümmerfeld des World Trade Centers, zu koordinieren.

Sicher ist, dass eine Verlängerung der Amtszeit eine Sondergesetzgebung erfordern würde. Angesichts der weltweiten Anerkennung von Giulianis Arbeit als Bürgermeister in diesen Krisenzeiten ist es jedoch schwer vorstellbar, dass ihm dies verweigert werden könnte.

Giuliani hat unterdessen die Zahl der Opfer bei den Anschlägen auf das World Trade Center wieder nach unten korrigiert: 5.960 Personen seien vermisst und also nicht mehr am Leben. In den letzten Tagen waren die Behörden noch von 6.347 Toten ausgegangen, doch hätten sich bei erneuter Prüfung der Listen Doppelungen ergeben. Die Opferlisten waren unter anderem mit Informationen ausländischer Konsulate abgeglichen worden.

Offiziell ist bislang der Tod von 305 Menschen bestätigt. Die Einsatzkräfte in „Ground Zero“ finden täglich hunderte von Leichenteilen. Die Identifizierung der menschlichen Überreste steht noch aus und wird Experten zufolge lange Zeit in Anspruch nehmen. Gerichtsmediziner sind der Ansicht, dass die meisten Opfer per DNA-Analyse bestimmt werden können. So schätzt Gerichtsmediziner Robert Shaler, dass die meisten Opfer verbrannten, einer Rauchvergiftung erlagen oder von scharfen Trümmern erschlagen wurden. PKT

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