: Highnoon Unter den Linden
Fremder, ziehst du langsam, dann zieh schnell – und zwar weiter! Wie sich die Spitzenkandidaten Frank Steffel (CDU) und Klaus Wowereit (SPD) nach amerikanischem Vorbild im ZDF duellierten
Der Style
Frank Steffel, der Herausforderer, gibt sich ausgesprochen zahm. Sein Körper ist nach vorne gebeugt, die Hände auf dem Tisch gefaltet, die Beine überkreuzt, der Kopf leicht geneigt. Die Demutsgeste konterkariert den wirklichkeitsfremden Optimismus, den der in den Umfragen weit abgeschlagene Steffel zwangsläufig an den Tag legen muss. Zusammengekniffene Lippen zeugen davon, dass es der Mann in diesen Tagen nicht einfach hat. Kein Wunder, dass viele Steffel ein aufgesetztes Lächeln nachsagen, wenn er gerade einmal nicht beleidigt wirkt.
Die Argumente
Frank Steffel zieht für seine Argumentation vor allem die Argumente seiner Gegner heran. Spricht er über innere Sicherheit, dann zählt er das Parteiprogramm der Grünen (Auflösung des Verfassungsschutzes! Weniger Polizei!) auf und hofft, dass das Publikum seine Empörung teilt. Das erspart die Begründung der eigenen Position, ist aber gerade deshalb nicht überzeugend. In der Sache wirkt er meist in der Defensive, spricht oft zu schnell und zu erregt. Da hilft es wenig, dass sich der Möchtegern-Volkstribun ständig auf „die Menschen“ (die Menschheit?) beruft. Denn „die schweigende Mehrheit“ ist immer auf Steffels Seite. Woher man das weiß, wenn sie schweigt, bleibt im Dunkeln. Auch das Demokratieverständnis wirkt komisch: Steffel ist immer wieder verärgert darüber, dass „andere Parteien andere Vorstellungen haben“.
Das Entertainment
Steffels Stärke, die ungezwungene Polemik, passt nicht zu dem Amt, für das er sich bewirbt. Verbale Attacken, die Steffel durchaus treffsicher beherrscht, bleiben weitgehend aus. Interessanter wird er dadurch nicht. Gut, dass er auch noch das Parteiprogramm der CDU auswendig aufsagen kann. Spannend wird es nur, wenn in dem jungen Steffel der alte Frontkämpfergeist aufblitzt. Dann wettert er gegen Steineschmeißer und extremistische Ausländer und kämpft dafür, dass Asylbewerber „im Gefängnis aufbewahrt werden“. In solchen Momenten bröckelt die „unglaublich weltoffene“ Fassade ganz gewaltig ab.
Die Vision
Frank Steffel will, dass Berlin „attraktiv für die Besten“ aus Deutschland und der Welt wird. Natürlich sollen Schulen und Universitäten schöner werden. Mehr Polizei muss „Sicherheit und Geborgenheit“ schaffen. Und: Er hat ein Unternehmen!
Der Style
Das Amt des Regierenden Bürgermeisters hat ihn souverän gemacht. Die Körpersprache ist eindeutig. Klaus Wowereit lehnt sich nach hinten und wartet ab: Er hat nichts zu befürchten. Seine Zurückhaltung verleiht ihm den Charme der Gelassenheit. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann auch austeilen kann. Gegenüber seinem Konkurrenten verhält er sich wie ein Lehrer gegenüber einem Schüler, dem ohnehin nicht mehr zu helfen ist. Sein Widersacher, da ist sich Wowereit sicher, wird das Klassenziel nicht erreichen.
Die Argumente
Der Allgemeinplatzwart. Klaus Wowereit versteht es, in seinen Formulierungen möglichst unverbindlich zu bleiben. Auf Fragen antwortet er mit Satzbausteinen, die man schlecht falsch finden kann („Für Berlin muss Toleranz die Parole sein“), um dann darauf zu hoffen, dass der meist konkretere und härter formulierte zweite Teil seiner Antwort („Wir müssen Fragen des Datenschutzes anders beantworten als bislang“) nicht mehr wahrgenommen wird. Konkrete Aussagen versucht er wie jeder gute Regierende Bürgermeister zu vermeiden. Wowereits Stärke besteht darin, Fehler in der Argumentation seiner Kontrahenten pointiert in den Mittelpunkt zu rücken. Wird er kritisiert, tritt er die Flucht in die Fülle aller verfügbaren Fakten an, die mit der Kritik meist nicht viel zu tun haben.
Das Entertainment
Der Buchhalter der Landesgeschicke. Die jahrelange Arbeit als SPD-Finanzexperte hat bleibende Schäden hinterlassen. Nur für seinen Kontrahenten verlässt Wowereit gerne den Pfad der Sachlichkeit und teilt harte Schläge aus. Auf den Vorwurf, er habe eine typische Politikerkarriere hinter sich, antwortet er Steffel: „Ganz frisch sind Sie auch nicht mehr!“ Rudimente von Humor und Schlagfertigkeit zeigen sich immer wieder, werden aber im Keim vom gewichtigen Amt des Regierenden Bürgermeisters erstickt. Wenn sein Kontrahent spricht, kann er sehr dafür niedlich seine Augen verdrehen und so seine klammheimliche Vorfreude auf das Ende des Wahlkampfes illustrieren.
Die Vision
Als Sozialdemokrat hat Klaus Wowereit nur eine Vision für Berlin: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze. Wenn es dann noch „weltoffen und tolerant“ zugeht, hat er selbstverständlich nichts dagegen.
ANDREAS SPANNBAUER
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