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Erst durchgerastert, dann auf Jobsuche

Laut Berliner Studentenvertretern werden arabische Studierende seit Beginn der Rasterfahndung massiv diskriminiert.Niedersachsen will Polizeirechte erweitern. Schily: Datenschutzvorschriften „notfalls verändern“

BERLIN taz/afp ■ Wenige Tage nach Beginn der Rasterfahndung zum Aufspüren islamischer Terroristen liegen konkrete Erkenntnisse darüber vor, wer mithilfe welcher Daten überprüft wird. In Berlin wurde der Wortlaut des richterlichen Beschlusses bekannt, auf dessen Grundlage die Universitäten um Herausgabe der Daten gebeten wurden: „Gerastert“ werden männliche Studierende aus zwölf arabischen Ländern plus Afghanistan, Iran und Pakistan. Weitere Kriterien: „kriminell unauffällig“ mit legalem Aufenthaltsstatus, unter besonderer Berücksichtigung von „finanzieller Unabhängigkeit“, „Mehrsprachigkeit“, „reger Reisetätigkeit“ sowie „Flugausbildung“. Abgeglichen werden Daten des Landeseinwohneramtes, der Hochschulen, von Gas- und Stromunternehmen, Sicherheitsdiensten, Flughäfen sowie „Einrichtungen mit Bezug zur Atomenergie“.

Aus Hamburg wurde bekannt, dass bereits vor zehn Tagen die Daten von mehr als 10.000 Studierenden in die Rasterfahndung eingegeben wurden. In Niedersachsen, wo die polizeirechtliche Grundlage für eine Rasterfahndung noch geschaffen werden muss, kündigte der Sprecher des Verfassungsschutzes, Rüdiger Hesse, an, verstärkt islamistische Hochschulgruppen beobachten zu wollen. Man werde „ganz systematisch das Netz an Informanten ausbauen“, so Hesse.

In Niedersachsen sollen mit Einführung der Rasterfahndung auch die Befugnisse der Polizei drastisch erweitert werden: Nach Auskunft des Innenministers Heiner Bartling (SPD) soll den Ermittlern unter anderem gestattet werden, schon im Vorfeld möglicher Verbrechen Telefone abzuhören, Post zu lesen oder Überwachungsvideos zu speichern. Auch soll die Rasterfahndung nicht erst nach Vorlage eines richterlichen Beschlusses zulässig sein, sondern bereits auf Antrag des Innenministeriums.

An den Universitäten sowie unter Vertretern der Muslime reagiert man zunehmend mit Sorge auf die Fahndung. Der sächsische Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) warnte vor einem Verlust der Weltoffenheit an deutschen Hochschulen. Selbst in Zeiten notwendiger Verbrechensabwehr dürfe es keinen „Generalverdacht geben, auch nicht gegen Studenten etwa aus arabischen Ländern“, erklärte Meyer.

In Berlin hat die Rasterfahndung offenbar in Windeseile zu tiefgreifenden Begleiterscheinungen für muslimische Studierende geführt: Arabische wie „arabisch aussehende“ Studenten berichteten immer wieder, über die Studentenvermittlung, aber auch bei der privaten Jobsuche keine Stellen mehr zu bekommen, erklärte Oliver Stoll vom ReferentenRat der Humboldt-Universität der taz. Es sei „überhaupt nicht abzusehen“, welche Ausmaße die durch die Rasterfahndung ausgelöste Diskriminierung noch annähme, so Stoll. „Es gibt Studenten, die fühlen sich nicht mehr sicher.“ Die ersten hätten bereits angekündigt, am 15. Oktober nicht zum Start des neuen Semesters zu erscheinen. Auch der Zentralrat der Muslime übte massive Kritik an den Fahndungsmethoden. Es hätten sich bereits Familien beschwert, weil ihre Häuser grundlos durchsucht und sie mitten in der Nacht zu Vernehmungen abgeholt worden seien, sagte der Ratsvorsitzende Nadeem Elyas.

Innenminister Otto Schily (SPD) wehrte sich gegen datenschutzrechtliche Vorbehalte. Wo bisherige Datenschutzvorschriften den Sicherheitsinteressen zuwiderliefen, sagte Schily, „muss man diese eben verändern“. Auch kündigte er an, dass „sehr schnell“ der Fingerabdruck in Visaanträgen eingeführt würde. JEANNETTE GODDAR

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