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Viel Energie aus der Tiefe

Geothermische Studien sollen zeigen, wie Erdwärme in Nordrhein-Westfalen für Wohnhäuser nutzbar ist. Grundstücksbesitzer können so erfahren, wie sie die Wärme effektiv verwenden können

Die Häuser im nordrhein-westfälischen Werne-Fürstenhof kommen ohne Öltank und Gasbrenner im Keller aus: Die Wärme der Erde heizt Wohnräume und Wasser. Was bisher noch Ausnahme ist, könnte zumindest in Nordrhein-Westfalen bald zum Standard werden. Dafür soll die „Geothermische Potentialstudie Nordrhein-Westfalen“ sorgen. Seit Februar 2000 stellt das Geologische Landesamt in Krefeld Daten zusammen und bereitet sie bis zum kommenden Jahr so auf, dass Grunstücksbesitzer erfahren, ob und wie sie die Wärme der Erde, die Geothermie, für ihr Haus effektiv verwenden können.

„Um die Geothermie einer Fläche optimal nutzen zu können, sind genaue Informationen über die Untergrundverhältnisse nötig“, sagt Claudia Holl-Hagemeier, die die Erstellung der Studie leitet. „Eine geothermische Anlage muss genau auf diese Verhältnisse abgestimmt sein. Eine mit Grundwasser gefüllte Sand- und Kiesschicht liefert beispielsweise viel mehr Wärme als ein solche Schicht ohne Wasser.“ So soll die Studie vor allem informieren über die Gesteinsverhältnisse im Untergrund, ob und wo Grundwasser vorkommt und wie viel Wärme aus der Erde unter diesen Bedingungen zu gewinnen ist. Zudem wird man aus der Datensammlung abfragen können, ob die Geothermie am gewünschten Standort nur eingeschränkt nutzbar ist.

Vorhanden ist die Geothermie jedoch immer und überall. Schon in den obersten Erdschichten nimmt die Temperatur um rund drei Grad Celsius pro 100 Meter Tiefe zu, und das lokale Klima verliert schon nach 15 bis 20 Metern seinen Einfluss. Diese Unabhängigkeit der Geothermie vom Klima ist ein großer Vorteil gegenüber anderen regenerativen Energiequellen. Außerdem muss sie nicht transportiert werden.

Gegenwärtig sind in Deutschland geothermische Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 400 Megawatt installiert – das ist etwas mehr als die Leistung des Atomkraftwerkes Obrigheim. Fast 50 Prozent unseres Wärmebedarfs könnten mit der Energie aus der Tiefe gedeckt werden. Die 25.000 weltweit installierten Megawatt sind nur ein geringer Teil dessen, was möglich wäre.

Die neue Studie wird vorwiegend die oberflächennahe Geothermie in Nordrhein-Westfalen veranschaulichen. Die oberflächennahe Geothermie wird durch Erdwärmesonden erschlossen, die bis zu 100 Meter tief reichen und durch die ein Wasser-Frostschutz-Gemisch zirkuliert. Dieses Gemisch entzieht dem Gestein Wärme und gelangt mit acht bis zwölf Grad an die Erdoberfläche. In Gebäudekellern installierte Wärmepumpen erhöhen das Temperaturniveau, bis es für Heizung und warmes Wasser ausreicht. Großer Nachteil: Die Pumpen benötigen Strom. Und nur wenn der Strom zu einem günstigen Tarif bezogen wird, ist es wirtschaftlich.

Der von vielen Energieversorgern angebotene Wärmepumpen-Tarif ist preiswert, da er nicht aus regenerativen Energiequellen gewonnen wird – eine Kilowattstunde kostet rund die Hälfte von grünem Strom. „Die Umweltbilanz von Wärmepumpen ist wenig besser als die von modernen Gasbrennwertkesseln“, erklärt Rainer van Loon, Energieberater bei der Wuppertaler Energieagentur NRW. „Man sollte das Wärmepotenzial des Untergrundes und die Kosten für jeden Einzelfall genau prüfen. Denn die Investitionen in Wärmepumpe und Erdsonde müssen sich über die geringen Heizkosten amortisieren.“ Dafür sei die in Krefeld entstehende Studie ein wichtiger Beitrag.

Ohne Wärmepumpe und Strom kommt hingegen die Tiefengeothermie aus, die 500 bis 5.000 Meter unter der Erdoberfläche liegende Schichten erschließt. Erdwärmesonden und heißes Wasser liefern ein Temperaturniveau von 70 bis 100 Grad Celsius. Damit kann geheizt und in geothermischen Kraftwerken Strom gewonnen werden. Diese tiefen Bohrungen sind jedoch aufwändig und teuer. Sie sind erst dann sinnvoll, wenn große Wärmeverbraucher wie Schwimmbäder, Bürokomplexe oder ganze Wohnsiedlungen angeschlossen sind.

Über das tiefengeothermische Potenzial unter ihren Füßen werden die Westfalen in der neuen Studie wenig erfahren. Das Team von Claudia Holl-Hagemeier trägt für die Studie bereits vorhandenen geowissenschaftlichen Informationen aus NRW zusammen, und die gehen größtenteils bis 100 Meter tief. Die Krefelder arbeiten mit geologischen Karten und den über 200.000 Werten aus einer Bohrungsdatenbank, verschneiden die Daten miteinander und erstellen daraus digitale Karten. Diese decken die gesamte Landesfläche ab und sind im nächsten Frühjahr auf einer CD-ROM erhältlich. Dort finden Hausbesitzer ihr Grundstück und können per Mausklick abfragen, ob Sand, Ton, Kies, Kalk oder andere Gesteine darunter liegen. Auch erfahren sie, ob das Grundwasser oberflächennah oder in größerer Tiefe vorkommt und ob die Fläche in einem Grundwasserschutzgebiet liegt, oder ob bei den Bohrungen mit artesisch gespanntem Grundwasser und Methanaustritten zu rechnen ist.

„Wir haben alle Informationen bewusst einfach gehalten und gut verständlich aufbereitet, so dass sie ohne Fachkenntnisse anwendbar sind“, erklärt Claudia Holl-Hagemeier. So sollen Interessierte schnell erkennen können, ob es sich lohnt, ihren geplanten Neubau mit Erdwärme zu versorgen oder ihre alte Heizungsanlage gegen eine geothermische auszutauschen. Und ob sie besser eine 80 Meter tiefe Sonde oder zwei 40 Meter tiefe Sonden bohren sollten.

Da die Erdwärme nicht nur den Rheinländern und Westfalen zu Füßen liegt, schauen die anderen Bundesländer gespannt nach Nordrhein-Westfalen, das deutschlandweit eine Vorreiterrolle einnimmt: „Das Land hat die Möglichkeit geschaffen, das Potenzial der unerschöpflichen Energiequelle Geothermie zu untersuchen, zu bewerten und jedem Bürger zugänglich zu machen“, sagt Claudia Holl-Hagemeier. „60 Prozent der Landesfläche sind bisher bearbeitet, es gibt täglich Anfragen aus allen Landesteilen und auch andere Bundesländer melden sich.“ Großes Vorbild aber ist die Schweiz: Dort ist mittlerweile jeder vierte Neubau mit Erdwärme beheizt.

KATRIN EVERS

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