piwik no script img

„Nicht ins schillernde Horn stoßen“

Warum Grüne nicht für mehr „Law and Order“ gewählt werden und Hilfe auch Sicherheit bringt: Eine Antwort auf Kurt Edlers Thesen zur Kriminalpolitik  ■ Von Manfred Mahr

Auf der Meinungsseite der überregionalen tageszeitung vom 2. Oktober 2001 wirft GAL-Parteichef Kurt Edler in einer Analyse des Wahlergebnisses seiner Partei vor, sich nicht ausreichend um die „Missstände“ bei der Inneren Sicherheit gekümmert zu haben, weil sie selbst als „Partei der Pädagogen und Professoren“ davon nicht betroffen seien. Man dürfe nun dem „Tabu, dass auch Repression nötig ist“, nicht länger ausweichen. Edler attestiert der Hamburger Polizei „Rechtsschlamperei“, weil sie nicht konsequent genug gegen Dealer vorgehe, und warnt vor einer „Verharmlosung des Problems“ Kriminalität: Die Furcht der Bürger vor einem Überfall müssten die Grünen ebenso ernst nehmen wie jene vor einem Atomunfall.

Kurt Edler hat gesprochen. An der Kriminalpolitik der Grünen hat es gelegen, warum die GAL in Hamburg gnadenlos verloren hat. „Arrogant“ sind wir und „hochnäsig“. Schill hatte also doch Recht. Wir haben es nur nicht gemerkt. Weil, wir haben da ein Tabu: „Nämlich das Tabu, dass auch Repression nötig ist!“ Danke, das wars! Wann haben wir eigentlich die Abschaffung des Strafrechts gefordert?

Es ist schon erstaunlich, dass ein so erfahrener und alter Polithase sich so vergaloppieren kann. Und dass dies kein Zufall ist, hat sich schon in den letzten zwölf Monaten angedeutet. Immer wieder hat Kurt Edler versucht, eine schärfere Gangart in Sachen „Innerer Sicherheit“ in der Partei durchzusetzen und hat damit durchaus verdienstvolle Diskussionen in der Partei in Gang gesetzt: Das Ergebnis war aber offensichtlich nur nicht das, was er sich versprochen hat.

„Öffentliche Sicherheit bewahren, Bürgerrechte gewährleisten“ – unter diesem Leitspruch habe ich für die GAL bisher Politik gemacht und dies ist auch der Kurs, der mit meiner Wahl zur erneuten Bürgerschaftskandidatur von der Partei abgesegnet wurde. Grüne werden eben nicht für mehr „Law and Order“ gewählt und dafür stand und stehe ich auch nicht zur Verfügung. Sollten Grüne künftig in dieses schillernde Horn stoßen wollen, würden sie in der Tat bald gänzlich von der Bildfläche verschwinden – und dann auch zu Recht. Nur ist mein bisheriger Eindruck, dass Kurt Edler mit seiner Bewertung ziemlich einsam in der Partei dasteht, der Beifall auf der Landesmitgliederversammlung war entsprechend dünn. Aber da er sich als Parteisprecher bundesweit zu Wort gemeldet hat, können seine Thesen nicht unwidersprochen bleiben.

Schon der Tenor seiner Abrechnung ist verräterisch: Da ist von „zartpfötigen Schulpädagogen“ die Rede, von der „Partei der Pädagogen und Professoren“, ja von der „Partei der kinderlosen 68er“. Wer erinnert sich da nicht an die Schillsche Formulierung von den „Verständnispädagogen der 68er-Bewegung“ ? Da weisen drei Finger auf den Autoren zurück - wie viel Selbstzweifel und Selbsthass haben da eigentlich die Feder geführt? Schließlich gefällt sich Kurt Edler in Klischees, wie sie die Bildzeitung nicht besser kolportieren könnte, wenn z.B. vom „Hohngelächter der ganzen Schanzenszene“ die Rede ist, „die romantisch vom Bürgerkrieg träumt“. Sind wir jetzt schlauer?

Doch kommen wir zum Kern, was will Kurt Edler eigentlich? Er sehnt sich offensichtlich nach einfachen Antworten auf kompliziertere Probleme, so wie sie von der CDU und Schill gegeben werden. Doch warum besinnt er sich nicht auf das, wofür die Grünen stehen? Wir wollten ein engmaschiges Drogenhilfesystem mit kontrollierter Abgabe von Heroin, nachlaufender Sozialarbeit für Crackabhängige, ausreichend Fixerräume in den Stadtteilen, wo sich die Drogenabhängigen aufhalten. Hier sind wir von der SPD vier Jahre ausgebremst worden. Kommt hier etwa von Kurt Edler die (berechtigte) Nachfrage, warum wir da nicht hartnäckiger waren? Hätten wir uns in dieser Frage frühzeitig durchsetzen können, wären wir heute in einer anderen Situation. Und es ist schlicht eine Mär, dass der rot-grüne Senat im Bereich der Jugenddelinquenz nichts getan hat. Wir haben nach einer erfolgreichen Enquete-Kommission durchaus einen Kurswechsel in Gang gesetzt, der sowohl repressive als auch pädagogische Antworten gegeben hat: Verstärkung der Jugendstaatsanwaltschaft, bessere Kooperation zwischen den beteiligten Behörden, das viel gepriesene Anti-Raub-Konzept, Verbesserung der Hilfen zur Erziehung usw.

„Wir sind, wenn wir regieren, für die Sicherheit aller Bürger dieser Stadt verantwortlich“, meint Kurt Edler. Und er hat Recht damit. Doch das beantwortet noch nicht die Frage, welche Konzepte zur Öffentlichen Sicherheit die richtigen sind. Hier muss sich jeder letztlich politisch entscheiden.

Schließlich wird die Argumentation von Kurt Edler abenteuerlich: er stellt fest, dass unsere Innenpolitik „nicht mehr mehrheitsfähig“ sei, deshalb könne man nicht einfach so tun, als ob die Leute nur „aufgehetzt worden seien“. Ja, wann haben die Grünen denn jemals 50 Prozent der Stimmen erhalten? Was ist denn das für ein Politikverständnis? Wer für politische Ideen steht, muss versuchen, Mehrheiten zu finden, ggf. Kompromisse schließen, aber doch nicht seine Fahne nach dem Wind drehen.

Gerade in Zeiten, da es nicht mehr „in“ zu sein scheint, die bürgerlichen Freiheitsrechte hochzuhalten, wird es auf die Grünen ankommen, ob der Spagat zwischen Freiheit und Öffentlicher Sicherheit nicht einseitig zu Lasten der Freiheit ausfällt. Verschärfungen kommen so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Bürgerrechte müssen dagegen mühsam verteidigt werden. Das schließt eine vernünftige Kriminalpolitik nicht aus. Hierfür hat die GAL-Fraktion in der vergangenen Legislatur Konzepte vorgelegt und Anhörungen mit durchweg positiven Rückmeldungen durchgeführt. Mit seinem Beitrag hat Kurt Edler der GAL in Hamburg leider einen Bärendienst erwiesen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen