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Finsteres zwangsumgetauftes Unterdrückerpack

Künstler und ehemalige Bürgerechtler machen mit einem Aufruf Front gegen die PDS. Seine Vorstellung wurde zum Wettkampf um deftige Worte

Selbst Bärbel Bohley fand den Aufruf „ein bisschen drastisch formuliert“. Doch andererseits, so die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, sei auch das Vorgehen der Grünen und der SPD in Berlin „ziemlich drastisch“. Der Versuch, elf Jahre nach der Wiedervereinigung gemeinsam mit der Partei zu regieren, „die für die Mauer verantwortlich war“, habe sie dazu bewogen, ihre Wahlheimat Kroatien vorübergehend zu verlassen – und sich in den Berliner Wahlkampf einzumischen. So gesehen falle die Erklärung sogar „ziemlich milde“ aus.

„Wählt eine freiheitliche Zukunft ohne den taktischen Pakt mit den demokratisch zwangsumgetauften Erben der Diktatur“, heißt es in dem Papier, das Bohley gestern gemeinsam mit dem konservativen Historiker Arnulf Baring an bezeichnendem Ort vorstellte: im Bürgerbüro des Vereins zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur, mit direktem Blick auf die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße. Verfasst hat den Aufruf der frühere Liedermacher Wolf Biermann, der sein Geld heute als Kulturkorrespondent der Welt verdient. Zusammen mit Bohley gründete er Anfang des Monats die „Wahlinitiative 2001 für Berlin – notwendige Einmischung in die eigenen Angelegenheiten“, die keinen Hehl daraus macht, nur ein Ziel zu verfolgen: die Regierungsbeteiligung der PDS mit allen Mitteln zu verhindern. Mitunterzeichnet haben den Aufruf dazu auch der Schauspieler Manfred Krug, der Pfarrer Joachim Goertz (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Bohleys ehemalige Mitstreiterinnen aus der DDR-Opposition, Freya Klier und Katja Havemann.

Schützenhilfe bei dem Versuch, der PDS – „diesem entmachteten Unterdrückerpack“, wie es in dem Aufruf heißt – die Rückkehr an die Macht zu verderben, erhielt Bohley gestern außerdem von Arnulf Baring, ehemals Professor für Geschichte an der Freien Universität. Der 69-Jährige wollte von einem Ende des Kalten Krieges nichts wissen: „Was heißt denn schon Nachfolgepartei?“ wetterte er. „Ganz finstere Gestalten“ hätten weiterhin das Sagen, was sich auch dadurch nicht ändere, dass diese nun nicht mehr SED, sondern PDS heiße. Und: „Der Unterhaltungskasper Gysi verändert doch das Bild nicht zentral.“

Noch drastischere Formulierungen fand da nur noch Hildigund Neubert. „Zufällig gewählte Gremien“ innerhalb der PDS, so die CDU-Kandidatin für die Abgeordnetenhauswahl in Lichtenberg, arbeiteten längst daran, „den Parlamentarismus auszuhebeln“. Angesichts ihrer „martialischen Vergangenheit“ sei es deshalb besonders nach dem 11. September geboten, „die Friedenspropanda der PDS“ zu bekämpfen. MARKUS BICKEL

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