NEUTRAL HELFEN UND BOMBEN BILLIGEN GEHT NICHT GLEICHZEITIG: Die UNO als Kriegspartei
Wenn Taliban-Anhänger in der westpakistanischen Flüchtlingshochburg Quetta ein Büro des UN-Kinderhilfswerks Unicef zerstören, ist das auf den ersten Blick zynisch. Schließlich verhindert die Organisation doch gerade, dass afghanische Flüchtlingskinder verhungern, wogegen auch die Taliban nichts haben dürften. Doch diese Sichtweise wird dem Problem nicht gerecht. In manchen Ländern gilt die UNO ganz grundsätzlich als willfähriges Instrument Washingtons, wobei ihre Gegner die US-Aversionen gegenüber der Weltorganisation übersehen. In Afghanistan aber, das ist in Quetta zu besichtigen, ist die UNO wirklich nicht neutral und wird sogar als Kriegspartei wahrgenommen.
Die UNO steckt in einem Zielkonflikt, der schon vor dem 11. September bestand, sich aber seitdem noch verschärft hat. Die UNO verhängte Sanktionen gegen das von ihr nicht anerkannte Taliban-Regime. Andererseits schickte sie ihre Hilfsorganisationen und koordinierte die Arbeit anderer. Nach dem Selbstverständnis humanitärer Helfer sind diese jedoch zur Neutralität verpflichtet. Gegen eine Verpflichtung auf die Ziele der UNO in Afghanistan haben sich deshalb auch schon früher Hilfsorganisationen gewehrt, auch wenn sie die UNO-Ziele teilen.
In dieser Woche hat der UN-Sicherheitsrat sogar die Angriffe auf Afghanistan gebilligt (die weiterhin kein UN-Mandat haben). Künftig sollen die Vereinten Nationen vielleicht auch noch eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung Afghanistans nach dem Sturz der Taliban spielen. Die Amerikaner werfen zurzeit aus ihren Flugzeugen mal Bomben und mal Hilfslieferungen. Ähnlich geht es der UNO, die mal Gewalt gegen die Taliban billigt und mal neutral helfen soll.
Die UNO ist eine politische Institution und berechtigt, Position zu ergreifen. In Konflikten bedarf es aber auch wirklich neutraler Hilfe. Die Hilfsorganisationen sollten deshalb künftig besser von der UNO abgetrennt werden und einer wirklich neutralen Organisation wie dem Roten Kreuz oder dem Halbmond unterstellt werden. SVEN HANSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen