: Paragrafen für die Sicherheit
Die Koalition einigt sich auf eine Neuauflage der Kronzeugenregelung in abgeschwächter Form. Den Konflikt mit Schily wollen die Grünen entschärfen
aus Berlin SEVERIN WEILAND
Ein möglicher Streitpunkt zwischen SPD und Grünen ist beiseite geräumt. Die Kronzeugenregelung, die 1999 ausgelaufen war, ersteht zwar in ihrer alten Form nicht wieder auf, stattdessen gibt es aber eine neue „Strafzumessungsregelung“. Darauf einigten sich gestern die beiden Koalitionspartner. Das verringerte Strafmaß soll für „Präventions- und Aufklärungsgehilfen“ gelten, so der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck. Die Regierungsparteien wollen die Strafminderung aber nicht in ein eigenständiges Gesetz gießen, sondern in den bestehenden Paragrafen 46 des Strafgesetzbuchs einfügen. „Über Details der neuen Regelung wird man auf der Fachebene noch reden müssen“, sagte Beck gestern der taz. Das betreffe auch die Frage, für welche Straftaten die Ergänzung gelten solle.
Die gestrige Grundsatzentscheidung, an der neben Beck Grünen-Fraktionssprecherin Kerstin Müller und Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) mitwirkten, ist ein Baustein auf dem Weg zum „Sicherheitspaket II“, das Innenminister Otto Schily (SPD) zur Bekämpfung des Terrorismus schnüren will. Am Dienstagabend hatte die Grünen-Fraktion ihre Positionen für die Verhandlungen zur inneren Sicherheit festgelegt. Das Papier ist in Ton und Wortwahl moderat gehalten – erkennbar ist der Wille, mögliche Konflikte mit Schily zu begrenzen. So heißt es etwa, dass Maßnahmen „zu Lasten aller Bürgerinnen und Bürger“ nur dann zu vertreten seien, „wenn sie geeignet und effektiv sind, terroristisches Handeln zu verhindern und zu bekämpfen“. Jede Maßnahme sei daran zu messen, ob sie zukünftige Anschläge verhindere.
Die Abschaffung der Geheimdienste, früher eine Forderung der Grünen, erwähnt das Papier mit keinem Wort. Stattdessen soll eine Strukturkommission die Dienste unter die Lupe nehmen. Um die Geldwäsche zu bekämpfen, fordert die Fraktion eine Zentralstelle beim Bundesfinanzministerium. Sie soll unabhängig von konkreten Strafverfahren tätig sein. Die Vorschriften gegen die Geldwäsche wollen die Grünen auf Internet, E-Commerce und Telebanking ausweiten. Sinnvoll sei auch ein Geldsammelverbot für Organisationen, die im Verdacht stünden, Terrororganisationen zu unterstützen.
Den Fingerabdruck im Personalausweis hält die Grünen-Fraktion dagegen für „antiquiert und ungeeignet“. Ein Austausch der rund 70 Millionen Ausweise koste allein 3,5 Milliarden Mark. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sei ein derart aufwendiges Verfahren „kaum zu rechtfertigen“. Eine klare Absage erteilen die Grünen auch der CSU-Forderung nach einer Nationalgarde aus Bundeswehr und Polizei. Die Bundeswehr solle eingesetzt werden, wo sie sinnvolle Hilfe leisten könne, zum Beispiel im Katastrophenfall. Zu der von Schily angeregten Vernetzung der Sicherheitsdienste, einer Datenabfrage aus dem Ausländerzentralregister und einer verschärften Visapraxis heißt es nur, dem Betroffenenen dürfe „kein Schaden entstehen“. Datenschutz, so die Grünen, sei „Menschenrecht“.
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