: Anti-Terror-Front als Ablenkungsmanöver
Vertreter der UNO, EU und OSZE diskutierten in Dubrovnik über Menschenrechtspolitik nach dem 11. September. Fazit: Die Gefahr ist groß, dass Menschenrechtsfragen an den Rand gedrängt werden. Daher ist ein Gesamtkonzept nötig
DUBROVNIK taz ■ Drei Tage bemühten sich Delegierte aus Europa, dem Kaukasus und Zentralasien bei einer Konferenz in Dubrovnik die Frage zu beantworten, wie der 11. September die Menschenrechtspolitik in diesen Regionen beeinflusst hat. Von der kroatischen Regierung eingeladen, nahmen die für Menschenrechtsfragen entscheidenden Institutionen an der Konferenz teil: die Hohe Kommissarin für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen, Mary Robertson, die Europäische Union, der Europarat und die OSZE, vertreten durch ihren gegenwärtigen Vorsitzenden, den rumänischen Außenminister Mircea Geoana, und viele andere. Enttäuschend war die Beteiligung Zentralasiens, lediglich die Direktorin für Menschenrechte der kirgisischen Regierung war erschienen.
Um es vorwegzunehmen: Wie bei solchen Kongressen üblich, wurden Erklärungen aneinander gereiht, eine Diskussion kam nur am Rande der Konferenz zustande. Aber, so der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Gerd Poppe, „es kam zu vielen Gesprächen, auf denen man aufbauen kann“. Viele der Delegierten sahen die Gefahr, dass mit der Anti-Terror-Kampagne nun weniger über Menschenrechtspolitik geredet werde. Nicht alle Staaten, die sich in die von den USA aufgebaute Anti-Terror-Front einreihten, nähmen es mit den Menschenrechten ernst genug, ja versuchten, die Antiterrorkampagne zu nutzen, um von ihrer Menschenrechtspolitik abzulenken. So habe Moskau nichts unversucht gelassen, seine Tschetschenienpolitik als Kampf gegen den Terrorismus auszugeben.
Der Generalsekretär für die Außenpolitik Österreichs, Albert Rohan, forderte in seinem Statement, im Kampf gegen den Terror die erreichten Standards in der Menschenrechtspolitik strikt einzuhalten. Der Terrorismus sei gegen Menschenrechte und grundlegende Freiheiten gerichtet. Gerade deshalb aber müsse die Antwort den erreichten Standards entsprechen. Man müsse beim Kampf gegen den Terrorismus die zugrunde liegenden Konflikte mit einbeziehen und die Ursachen bekämpfen. „Soziale Ungerechtigkeiten, Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, zwischen Mehrheiten und Minderheiten, führen zu Spannungen und werden zu Brutstätten für Konflikte, die den Terrorismus fördern.“ Der Kampf gegen den Terrorismus erfordere ein breites Bündel an Maßnahmen, zu denen die Stärkung der demokratischen Institutionen wie der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen genauso gehörten wie die wirtschaftliche Entwicklung.
Auch für Gerd Poppe besteht die Gefahr jetzt darin, dass Menschenrechtsprobleme hinter dem Kampf gegen den Terror verschwinden könnten. Er sieht in der Anti-Terror-Front aber auch eine Chance, die ergriffen werden müsse, um konkrete Politik umzusetzen. So hätten sich die USA noch vor wenigen Wochen nicht um den Nahostkonflikt gekümmert, seit dem 11. September seien jedoch dort Initiativen eingebracht worden, die immerhin zu kleinen Fortschritten führten. Die verfeindeten, sich in die Anti-Terror-Front einreihenden Staaten Indien und Pakistan hätten sich erstmals wieder wegen des Kaschmir-Problems zusammengesetzt.
Geteilt blieben die Meinungen darüber, ob mit dem Terrorismus der islamischen Extremisten und der militärischen Antwort darauf tatsächlich ein Kulturkampf entsteht. Lediglich hinter vorgehaltener Hand erklärten einige Delegierte, man müsse damit rechnen, dass fundamentalistische Bewegungen in der islamischen Welt einige der prowestlichen Regime hinwegfegen würden. Andere spielten diese Gefahr herunter. Einig waren sich jedoch alle, dass militärische Maßnahmen nicht ausreichten, um die Gefahr zu bannen. Man müsse den Terrorismus mit einer Gesamtstrategie bekämpfen, in der Menschenrechte einen wesentlichen Stellenwert haben müssten.
ERICH RATHFELDER
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