Grüne schießen quer

Grünen-Parteirat für Aussetzung der Bombenangriffe auf Afghanistan. SPD-Spitze lehnt Forderung kategorisch ab. FDP sieht Riss in der Koalition. CDU: Schaden für Deutschland

BERLIN taz ■ In der rot- grünen Koalition zeichnet sich ein Streit über die Haltung zu den US-Angriffen auf Afghanistan ab. Der Parteirat der Grünen, dem auch die Bundesminister und Fraktionschefs angehören, forderte gestern, die Bombardierung Afghanistans „auszusetzen“. Dabei berief sich das Gremium auf eine Äußerung der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson. Bundeskanzler Gerhard Schröder machte deutlich, dass er von der grünen Forderung nichts hält. „Das ist nicht die Politik der Bundesregierung und wird auch nicht die Politik der Bundesregierung werden“, sagte Schröder.

Die treibende Kraft hinter dem Votum des Parteirats ist die Grünenvorsitzende Claudia Roth, die soeben von einem Besuch in Pakistan zurückgekehrt war. Sie warnte, angesichts der Bombardierung sei eine Versorgung der sieben Millionen Flüchtlinge in Afghanistan unmöglich: „Man kann hier nicht von einer humanitären Krise sprechen. Die Menschen in Afghanistan sind mittendrin in einer humanitären Katastrophe.“ Ein Aussetzen der Luftschläge zu fordern bedeute keine Kritik am Einsatz militärischer Mittel bei der Suche nach Ussama Bin Laden. Vielmehr habe das US-Verteidigungsministerium selbst erklärt, die militärische Infrastruktur des Taliban-Regimes sei bereits zerstört.

Die SPD-Führung war vor dem Votum des Parteirats bemüht gewesen, die Kontroverse nicht zu einer Belastung für die Koalition werden zu lassen. Die Zusammenarbeit mit den Grünen werde durch Roths Äußerung „nicht beeinträchtigt“, versicherte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sprach dagegen von einem „tiefen Riss“ in der rot-grünen Koalition. Dies schwäche die Position Deutschlands im Bündnis. Als „öffentliche Desavouierung“ von Außenminister Fischer bezeichnete CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer die Haltung des Grünen-Parteirats. Roth schade „Deutschland in beträchtlichem Maße“, so Meyer.

Bei den Grünen selbst gab es Vorbehalte gegen den Beschluss im Umfeld von Fischer und an der Fraktionsspitze. Allerdings hatten weder Fischers Vertreter im Parteirat noch Fraktionschef Rezzo Schlauch Roths Vorstoß verhindert. PATRIK SCHWARZ