Versuchsobjekt Flüchtling

Noch keine Fingerabdruck-Datei für alle Deutschen geplant. Für Asylbewerber besteht sie schon seit 1992. Schily will sie nun auch für die normale Fahndung nutzen

FREIBURG taz ■ Mit Hilfe von Fingerabdrücken und anderen biometrischen Daten sollen Ausweispapiere künftig noch fälschungssicherer werden. Mehr sieht Innenminister Otto Schilys zweites Sicherheitspaket derzeit nicht vor. Wenn die Daten aber erst einmal erfasst sind, könnte daraus schnell eine Zentraldatei für die ganze Bevölkerung entstehen, wie sie für Asylbewerber schon seit 1992 besteht.

Schon bisher kann die Zuordnung eines Ausweises zu einer Person anhand der im Pass oder Personalausweis gespeicherten Daten überprüft werden. Doch Schily will nun auch noch den Fingerabdruck und andere biometrische Merkmale, wie zum Beispiel das Irismuster oder die „Gesichtsgeometrie“, erfassen. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung soll außerdem das Lichtbild dreidimensional, als Hologramm, gestaltet werden.

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hält das für etwas übertrieben. In ihrer Stellungnahme zu Schilys Entwurf gibt sie zu bedenken, dass bereits „ein“ zusätzliches biometrisches Merkmal genügen müsste. Dieses solle außerdem gleich im Gesetz festgelegt werden, schließlich könne man nicht alle paar Jahre die Ausweise verändern und die Polizei mit teuren neuen Geräten ausstatten. Schily will die Entscheidung, welche Merkmale in welcher Form (offen oder verschlüsselt) in die Ausweise aufgenommen werden, seinem Ministerium überlassen.

Eine zentrale Fingerabdruck-Datei für die gesamte Bevölkerung ist derzeit in Schilys Plänen nicht vorgesehen. Die entsprechenden Daten würden nur im Passregister der jeweiligen Passbehörde gespeichert. Bisher gibt es nur zwei zentrale Fingerabdruck-Dateien in Deutschland, die beide im Afis-Computer des Bundeskriminalamts geführt werden. Zum einen sind dort Abdrücke von 2,9 Millionen Personen enthalten, die die Polizei im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erkennungsdienstlich erfasst hat. Zum anderen enthält der Afis-Computer aber auch die Fingerprints aller Asylbewerber, womit verhindert werden soll, dass Asylbewerber unter verschiedenen Namen oder in verschiedenen Ländern mehrfach Leistungen beziehen oder nach einer Abschiebung unter neuem Namen erneut einen Asylantrag stellen.

In mehrerlei Hinsicht sind die Asylbewerber das daktyloskopische Versuchsobjekt der deutschen Innenpolitik. Mit ihren Fingerabdrücken wurde Afis ab 1992 ein Jahr getestet, bevor das System auch für (vermeintliche) Straftäter eingeführt wurde. An ihnen wird nun auch demonstriert, wie man die Zweckbestimmung von Daten nachträglich ändert. Denn eigentlich sind die Fingerabdrücke aus den Asylverfahren von den Straftäterdaten streng separat zu halten. Das BKA stellt seinen Computer nur „in Amtshilfe“ zur Verfügung, weil das Gerät so leistungsfähig ist. Zwar konnte schon bisher eine Tatortspur im Verdachtsfall mit dem Abdruck eines bestimmten Asylbewerbers verglichen werden. Nach Schilys Plänen werden die Daten der Asylbewerber künftig aber so behandelt, als wären sie alle in der Straftäterdatei. Eine Tatortspur wird also in Zukunft auch mit den Fingerabdrücken aller Asylbewerber verglichen.

CHRISTIAN RATH