Hessen klagt gegen Jürgen Trittin

Gericht soll klären, ob der Bundesumweltminister direkt mit den Betreibern von Atomkraftwerken verhandeln darf

FREIBURG taz ■ Dieser Rechtsstreit könnte die Machtpositionen in der deutschen Atompolitik verändern: Das Land Hessen will, dass die Bundesregierung über Fragen der Atomaufsicht nicht mehr direkt mit den AKW-Betreibern verhandelt, sondern dies den Ländern überlässt. Heute findet vor dem Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung statt.

Normalerweise werden Bundesgesetze von den Länderverwaltungen in eigener Verantwortung ausgeführt. In der Atompolitik ist das allerdings anders. Das Atomgesetz wenden die Länder „im Auftrag“ des Bundes an. Deshalb kann der Bundesumweltminister auch eingreifen, wenn er mit dem Verwaltungsakt eines Landesministers nicht einverstanden ist. Per Weisung kann er dann einen Weg vorgeben. Dem Land verbleibt hier nur die „Wahrnehmungskompetenz“, also der unmittelbare Vollzug gegenüber einem AKW-Betreiber. Das Bundesverfassungsgericht muss nun entscheiden, wie weit die Wahrnehmungskompetenz des Landes reicht.

Konkret geht es um Nachrüstungsanforderungen an das hessische AKW Biblis A. Wie im Atomkonsens vereinbart, einigten sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Biblis-Betreiber RWE im August 2000 über ein Nachrüstungspaket. Dem Land wurde dann per Weisung mitgeteilt, wie es gegenüber RWE zu verfahren habe.

Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel kann es dabei nicht um Inhaltliches gehen. Schließlich war es immer CDU-Position, dass Biblis A durch nachträgliche Baumaßnahmen noch zu retten sei, während die Grünen den „Pannenreaktor“ stilllegen wollten. Der erste Teil des Nachrüstungspakets soll nun im Januar 2002 im Rahmen der turnusgemäßen Revision von Biblis A durchgeführt werden.

Dietzel störte vor allem, dass Trittin das Paket mit RWE aushandelte. Der CDU-Politiker spricht von „Geheimdiplomatie“ und sieht die Rechte des Landes verletzt. Tatsächlich waren die Hessen bei den ersten beiden Gesprächsrunden nicht mal eingeladen. Doch Dietzel geht es um mehr – er will, dass der Bund über Fragen der Atomaufsicht grundsätzlich nicht direkt mit den Betreibern verhandelt.

Tatsächlich sind solche Gespräche aber, wie aus Trittins Ministerium zu hören ist, durchaus „üblich“. Rot-Grün würde auf diese Einflussmöglichkeit auch ungern verzichten. Schließlich lässt es sich schlecht per Weisung regieren, wenn man nicht einmal direkte Informationen einholen darf. CHRISTIAN RATH