Kein Szenemäuschen

Keine Chance auf Renovierung: Mon Marthe schließt nach 27 Jahren  ■ Von Liv Heidbüchel

Etwas zugig ist es an der Kreuzung Tarpenbekstraße/Lokstedter Weg in Eppendorf. Auch etwas ungemütlich – und ziemlich laut. Die Eckterrassen vom Kabarett Mon Marthe stammen aus einer ganz anderen Zeit, als das damalige Café noch attraktiv am Ende einer Sackgasse lag und man nicht im Traum daran dachte, dass hier einmal zwei vierspurige Straßen aufeinander treffen würden.

Vor nunmehr 27 Jahren übernahm Marthe Friedrichs die Lokalität und führte sie zehn Jahre unter dem Namen „Truck-Stop“. Nicht nur Lautstärkeprobleme mit den Nachbarn, sondern besonders die erwachende Kleinkunstszene ließen den Musikclub zu Mon Marthe werden – angeknüpft an das Kabarettgeschehen am Mont Martre. Schon Anfang der 80er traten im etwa 100 Plätze fassenden Saal von Mon Marthe Künstler wie Martin Buchholz, Dietrich Kittner und Lilo Wanders auf. Stolz und ein wenig sentimental blättert Marthe Friedrichs in ihrer Pressemappe mit Artikeln aus fast drei Jahrzehnten: „Ja, ich war die Wiege des Kabarett.“

Seit ein paar Wochen steht nun fest, dass sie schließen muss. Schon lange gab es Ärger mit dem Vermieter, der sich konsequent nachhaltigen Renovierungsarbeiten verweigerte. Nur noch bis Jahresende kann Marthe Friedrichs den Betrieb aufrechterhalten, denn die baulichen Mängel – vor allem durch Feuchtigkeit – sind zu gravierend.

Doch Knüppel vor die Füße gab es nicht nur vom Vermieter: Während der gesamten 27 Jahre bekam Friedrichs keinerlei staatliche Zuwendung. Schließlich verdiene sie ja durch die Gastronomie, hieß es stets zur Begründung. Fragt sich bloß, in welchem Theater es keinen Tresen gibt.

Eine einschneidende Veränderung kam dann im Jahr 1994, als das Erfolgsduo Alma Hoppe ein paar hundert Meter weiter mit dem Lustspielhaus eine direkte kabarettistische Konkurrenz hochzog. Zwar hatte Friedrichs für Jan-Peter Petersen und Nils Loenicker getextet, Musik geschrieben und verantwortlich gezeichnet, ihnen jedoch die Intendanz übertragen. Etwa 70 Prozent des Spielplans besetzten somit Alma Hoppe – und gingen dann mit der Trennung dem Mon Marthe verloren.

Zwar ließ sich Friedrichs nicht unterkriegen, musste aber härter kämpfen als zuvor. Vor einigen Jahren rief sie zum Beispiel den Verein zur Förderung der Kultur kleiner Bühnen in Hamburg ins Leben, in dem derzeit noch sieben Theater zusammengeschlossen sind. Die gemeinsame Vereins- und Werbeveranstaltung Bühnenfizz sollte dieses Jahr bei der Initiatorin Friedrichs stattfinden. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen.

Nur selten klingt die Macherin aus Leidenschaft bitter, eher wirkt sie aufgebracht. Mittlerweile nimmt sie die Schließung ihres Kabaretts als schicksalsgegebene Entscheidung. Und trotzdem ist es schmerzlich, dass nun gar nichts übrig bleiben soll von den Hunderttausenden, die sie im Lauf mehrerer Jahrzehnte investiert hat. Vom Kraftaufwand ganz zu schweigen. Gerne hätte die Mittfünzigerin noch das 30-jährige Bestehen gefeiert und das Kabarett dann in aller Form übergeben.

Energie hat Marthe Friedrichs allerdings für mindestens drei und ist auch schon wieder auf halbem Weg zu neuen Ufern. Zurück in die Buchhaltung, wo sie vor ihrem Leben als Herrin im eigenen Laden einmal anfing, will sie aber nicht. Genauso wenig zieht es sie momentan in andere Kulturinstitutionen: „Ich war nie ein Szenemäuschen, sondern immer ein Wolf.“ Also wird sie sich mehr Zeit nehmen für ihre satirischen Kurzgeschichten – die so genannten „Gedanken aus der Badewanne“ – und „endlich sagen, was mal gesagt werden muss“.

Doch zuerst will man sich geziemend vom Theater und seinem Publikum verabschieden: Bis zum Ende des Jahres sind neben vielen anderen noch einmal Kalla Wefel und Helga Siebert zu Gast. Premiere feiern Bernd Vogel und Barbara Kuster, und auch Marthe Friedrichs selbst wird einige Kostproben ihrer Schreibkünste darbieten. Letzte Chance also, dem ältesten Kabarett Hamburgs mit seinem sympathisch abgewetzten Charme einen Besuch abzustatten.