: Alles unter Kontrolle
Regierung erweitert staatliche Überwachungsbefugnisse auf E-Mails, Internet, SMS und Handy-Gespräche
BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hält an ihren umstrittenen Plänen fest, die Betreiber von Telefon-, Internet- und E-Mail-Diensten zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten zu verpflichten. Eine entsprechende Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) wurde gestern im Kabinett beschlossen. Danach können die Sicherheitsbehörden künftig neben Telefonen und Mobiltelefonen auch E-Mails und SMS auf Handys abhören oder mitlesen und Verbindungen im Internet überwachen. Voraussetzungen dafür sind der Verdacht auf bestimmte schwere Straftaten und eine richterliche Anordnung.
Im Kern werden mit der TKÜV die Anbieter in der Telekommunikationsbranche verpflichtet, die bei ihnen anfallenden Kommunikationsvorgänge über eine Schnittstelle in ihren Anlagen den Sicherheitsbehörden zugänglich zu machen – wenn möglich, ohne Zeitverzug, auf eigene Kosten und mit der Auflage, diese Maßnahmen gegenüber den Betroffenen geheim zu halten. Als entsprechende Pläne erstmals 1998 bekannt wurden, brach unter Dienstleistern, Bürgerrechtlern und Netzaktivisten ein Sturm der Empörung los. Sie kritisierten, dass die Anbieter gegen ihren Willen zum verlängerten Arm der Strafverfolgungsbehörden gemacht würden. Die Wirtschaftsverbände wehrten sich gegen die hohen Kosten für Provider und Netzbetreiber. Die technische Umsetzung koste 40 Milliarden Mark.
Von Rot-Grün wurde eine Revision der Pläne angekündigt, doch die Beamten des Wirtschaftsressorts hielten an der Notwendigkeit der Überwachung fest. Diese sei durch die Strafprozessordnung, das Außenwirtschaftsrecht und die Bestimmungen zur Einschränkung des Brief- und Postgeheimnisses geregelt. Die neue Verordnung müsse die Überwachung jetzt auf die neuen Medien ausweiten.
Nach einer öffentlichen Anhörung im April und weiteren Gesprächen wurde nach Angaben des Wirtschaftsministeriums nun ein Kompromiss gefunden. Danach wird der Kreis derer, die zur Kooperation mit den Behörden verpflichtet werden, ein wenig enger gefasst. Freigestellt werden nun die Betreiber nichtöffentlicher Telekommunikationsanlagen (etwa unternehmensinterne Netzwerke oder Nebenstellenanlagen in Hotels und Krankenhäusern). Auch die Anbieter reiner Verbindungsnetze und die Betreiber von Zugangsknoten zum Internet sind von der Mitwirkungspflicht ausgenommen. WOLFGANG GAST
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen