: Selbstverwirklichung zur Prime Time
Barry Levinsons Bankräuberkomödie „Banditen!“ ist ein kleiner, fast moralischer Lobgesang auf protoamerikanisches Outsidertum im Medienzeitalter
Seit dem 11. September ist wirklich nichts mehr so, wie es einmal war. So was wäre früher wohl undenkbar gewesen: Da liegt Bruce Willis in einer fast romantischen Situation neben Cate Blanchett auf einem von einem hauchzarten Vorhang geteilten, fremden Bett, und beide schmeißen sich Bonnie-Tyler-Songzeilen an den Kopf, bis der besagte Vorhang schließlich fällt.
Natürlich wurde Barry Levinsons Film „Banditen!“, aus dem die Szene stammt, lange vor dem Anschlag auf das World Trade Center abgedreht, aber für Willis kommt der Film genau zur rechten Zeit. Bekannt geworden als Wolkenkratzer-Stürmer und Armageddon-Experte, ist er nach den jüngsten Ereignissen seines Images überdrüssig geworden; mit den Action- und Katastrophenfilmen in seiner Karriere muss endlich Schluss sein, hatte er kürzlich in einem amerikanischen Interview posaunt. Dabei braucht Amerika den Afghanistan-erfahrenen Rambo gerade jetzt mehr denn je.
Genutzt hat’s übrigens alles nichts. In den Staaten ist „Banditen!“ – an den hohen Erwartungen gemessen – gnadenlos gefloppt. Was Willis in Anbetracht seines eigenen fortschreitenden Alters obendrein gewurmt haben muss, ist die Tatsache, dass der Film vor allem ein älteres Publikum angesprochen hat. Vermutlich unzufriedene Ehefrauen und gesetztere Herren in Erwartung eines zweiten Frühlings.
„Banditen!“ erinnert in seiner Figurenkonstellation an Lubitsch und Wilder, was man dem Film aber auf gar keinen Fall als altmodischen Einschlag vorwerfen sollte. Willis als liebestrunkener Heißsporn und Billy Bob Thornton als verzagter Hypochonder sind als Bankräuber-Duo zudem mindestens so smart wie Newmans/Redfords „Butch Cassidy and the Sundance Kid“.
„Banditen!“ ist ein kleiner, fast moralischer Lobgesang auf protoamerikanisches Outsidertum im Medienzeitalter. Das Fernsehen – im Format des Prime-Time-Quotenrenners „Criminals at Large“ – wird hier zum Spiegel für die unerfüllte Sehnsucht nach grenzenloser Selbstverwirklichung. Nach einem tollkühnen Ausbruch aus dem Gefängnis starten Joe und Terry mit Hilfe eines unglaublichen Arsenals von durchgeknallten Perücken ihre zweite antibürgerliche Karriere als „Sleepover Bandits“ quer durch die Vereinigten Staaten: Am Abend vor dem Bankraub veranstalten die beiden eine kleine Pyjama-Party mit dem Direktor und seiner Familie, am nächsten Morgen sind sie mit dem Geld verschwunden, noch bevor die Bank geöffnet wird. Diese deeskalierende Masche verschafft ihnen in der Öffentlichkeit enorme Sympathie und bringt außerdem Publicity. Das geht so lange gut, bis sie die von ihrem Eheleben gebeutelte Kate als Geisel nehmen, die wiederum am „Bonnie and Clyde“-Lifestyle und vor allem ihren Entführern Gefallen findet. Eine gehörige Portion Dekadenz gehört schon dazu, einen eigentlich kleinen Film mit einigen Stars zu „großem Kino“ aufzublasen. Andererseits sind Willis, Blanchett und Thornton das einzige Kapital des Films. Das Drehbuch jedenfalls ist es ganz sicher nicht.
Da Hollywood heute schon jeden B-Film-Trash zum Action-Blockbuster hochpäppeln muss, wirken harmlose Nettigkeiten wie „Banditen!“ wieder richtig erfrischend. Willis und Thornton dürfen mit einer Nonchalance um ihr Objekt der Begierde (den Rivalen immer im Augenwinkel) scharwenzeln, wie man es aus den besten Screwball Comedies von Howard Hawks kennt. Da kommt bei Willis wieder dieser verschmitzte Lausbube durch, während Sensibelchen Thornton sich in Krisenmomenten bevorzugt in eine seiner zahlreichen Neurosen flüchtet. Zusammen würde man ihnen eigentlich keine Woche geben, zudem sich Blanchetts Hysterikerin Kate wie ein Keil dazwischen arbeitet. Das Altmodische ist bei „Banditen!“ zur Requisite geworden, was sich vor allem in der etwas lahmen Familientauglichkeit und dem ungewohnt langsamen Erzähltempo bemerkbar macht. Die amerikanische Kritikerschelte für „Banditen!“ war trotzdem unverhältnismäßig. Vielleicht hat ihnen einfach nur Bruce’ verschwitztes Feingeripptes gefehlt.
ANDREAS BUSCHE
„Banditen!“ Regie: Barry Levinson. Mit Billy Bob Thornton, Bruce Willis, Cate Blanchett u. a. USA 2001, 120 Min.
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