Freifahrtschein fürs Auto

Verkehrspolitik: Schwarz-Schill fährt deutlich anderen Kurs als Rot-Grün. Die wahrscheinliche Folge: Mehr Autoverkehr  ■ Von Gernot Knödler

„Freie Fahrt für freie Bürger“ – für diesen Slogan schämt sich mittlerweile sogar der ADAC. Zur erklärten Verkehrspolitik des Schwarz-Schill-Senats passt er jedoch wie die Faust aufs Auge. Im Koalitionsvertrag ist sie überschrieben mit dem Satz: „Vorrangiges Ziel ist die Verbesserung und Beschleunigung des Verkehrsflusses und die Beseitigung von Verkehrsschikanen in Hamburg.“

Man muss kein Autohasser oder radikaler Radfahrer sein, um die Pläne des neuen Senats als Katalog der Grausamkeiten zu empfinden. Wenn die Annahmen des unter Rot-Grün vollendeten, auf wissenschaftliche Methoden gestützten Verkehrsentwicklungsplans (VEP) richtig sind, wird sich die Lage aller Verkehrsteilnehmer in den kommenden vier Jahren verschlechtern: Die Straßen werden voller, der Lärm nimmt zu, und es wird mehr Verkehrstote geben.

Mit den im VEP vorgesehenen Maßnahmen hatte der alte Senat gehofft, den PKW-Verkehr auf den Stand des Jahres 1990 zurückführen zu können. Ohne staatliches Eingreifen, so die Berechnungen der Experten, würde der PKW-Verkehr von 1990 bis 2010 um 15 Prozent zunehmen. Zwar sind im VEP auch Vorhaben der Bundesregierung berücksichtigt. Knapp die Hälfte der 15 Prozent könne der Senat jedoch durch eigenes Handeln beisteuern.

CDU, FDP und Schill wollen darauf nicht nur weitgehend verzichten, sondern vieles sogar rückgängig machen. Dazu gehört das Herausreißen von Pollern, „die nicht der Verkehrssicherheit dienen“, ebenso wie die Beseitigung von verkehrsberuhigten Zonen – sofern sie nicht in reinen Wohngebieten liegen – die nächtliche Aufhebung von Tempo-30-Zonen vor Schulen und das Entfernen von Verkehrshindernissen in Tempo-30-Zonen. „Eine Ausschilderung wird als ausreichend erachtet“, heißt es lapidar.

Radarkontrollen soll es nur noch an Unfallschwerpunkten geben; die Höchstgeschwindigkeit auf Hauptverkehrsstraßen soll auf 60 km/h erhöht werden, „soweit Sicherheitsaspekte und Emissionsgesichtspunkte dem nicht entgegenstehen“. Dafür soll der Bund in Schnelsen, Stellingen und Horn Lärmschutzwände an den Autobahnen bauen und den A 7-Deckel mitfinanzieren. Der Grindelhof und die Stresemannstraße werden wieder vollständig geöffnet – beides hält nicht einmal der ADAC so ohne weiteres für sinnvoll. Der bereits beschlossene Rückbau der Alsterkrugchaussee fällt aus.

Zugleich soll es leichter werden, Parkplätze zu finden: Die umstrittenen Anwohnerparkzonen sollen nur noch in Notfällen eingerichtet und zum Teil – möglicherweise in St. Pauli – abgeschafft werden. Die Stellplatzablösegebühr werde nur noch zur Schaffung von Parkraum verwendet. Fahrradstellplätze, die in der Vergangenheit damit ebenfalls bezahlt worden waren, müss-ten von Bauherren „nur noch im Rahmen des zu erwartenden Bedarfs eingerichtet werden“.

Über Radler und Fußgänger steht fast nichts im Koalitionsvertrag: Der Senat will einerseits ihre Wege auf Vordermann bringen; andererseits will er „nur noch bei fehlender Verkehrsalternative“ gestatten, Einbahnstraßen für Radler in Gegenrichtung freizugeben.

Zwar bezeichnen die Koalitionäre einen „leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr“ als „für einen großstädtischen Ballungsraum unverzichtbar“. Dazu sollen die Qualitätsmerkmale Angebot, Takt, Service, Sicherheit und Sauberkeit verbessert werden. Für eine weitere Beschleunigung der Busse sieht der Senat jedoch keinen Anlass: Busbuchten sollen künftig nicht mehr zurückgebaut werden. Neue Busspuren werden nur noch dort eingerichtet, „wo es aufgrund der Verkehrslage dringend geboten ist und Taktfolge und Nutzungsintensität der Busse dieses rechtfertigen“. Von Angeboten, die dem HVV neue Kunden bescheren könnten, ist dies weit entfernt.

Geld spielt in diesem Koalitionsvertrag mit dem Charakter einer Wunschliste nur eine untergeordnete Rolle. Statt der Stadtbahn, die der alte Senat einzuführen gedachte, will der Rechtsblock die Pläne für eine U-Bahn von Barmbek über Steilshoop nach Bramfeld aufleben lassen. Die Verlängerung der U 2 von Niendorf über Schnelsen nach Burgwedel soll geprüft werden, ebenso eine Schienenanbindung des Osdorfer Borns und Lurups.

Dabei ist das Preis-Leistungs-Verhältnis einer Stadtbahn, also einer Straßenbahn, die auf einem eigenen Gleiskörper getrennt vom Autoverkehr fährt, wesentlich günstiger als das einer U-Bahn: Eine Stadtbahn kann zwar nur gut die Hälfte der Passagiere einer U-Bahn transportieren – aber für lediglich ein Zehntel der Kosten.

Durch den Verzicht auf die Stadtbahn bleiben auch die Pläne zur Anbindung der Hafencity vage. Stadtplaner und Immobilien-Kaufleute haben davor gewarnt, lediglich Busse durch den neuen Stadtteil fahren zu lassen. Das sei zu wenig, um die Hafencity für Investoren attraktiv zu machen. Zum Ausgleich träumen die Koalitionäre den Traum des CDU-Landesvorsitzenden Dirk Fischer von einer S-Bahn nach Berlin: dem Transrapid.

Lediglich marginale Differenzen zwischen der alten und der neuen Regierung gibt es beim Thema Straßen(aus)bau, vor allem in der Region. Rot-Grün hätte dem Wähler nur wenige dieser Projekte erspart. Ihre Aufzählung ersparen wir uns und Ihnen.