: FAZ muss unpolitisch sein
Warum wurde FAZ-Mitherausgeber Hugo Müller-Vogg entlassen? Die taz behauptet: wegen dessen zu konservativer Linie. Die FAZ bestreitet das und klagt gegen die taz vor dem Hamburger Landgerichtvon JOHANNES EISENBERG
Das Streitobjekt: Am 20. 2. 2001 entließ die Frankfurter Allgemeine Zeitung Hugo Müller-Vogg fristlos und mit sofortiger Wirkung aus dem Herausgeberkreis. Die taz berichtete über die Kündigung. Was wiederum der FAZ missfiel: Auf deren Antrag wurde der taz vom Landgericht Hamburg per einstweilige Verfügung verboten, unter Bezugnahme auf die Formulierung „Die anderen Herausgeber hätten ,keine gemeinsame Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit gesehen, heißt es bei Focus-Online weiter‘“ zu verbreiten, „man habe Müller-Vogg eine ,zu konservative Linie‘ vorgeworfen“. Die taz verlangte eine ordentliche Klage und wandte gegen das Verbotsbegehren der FAZ ein: Bei der beanstandeten Äußerung handelt es sich um eine zulässige Beurteilung des Verhaltens der zuständigen Gremien der FAZ.
Der Anlass: Tatsächlich kam es im Kreise der FAZ-Herausgeber zu Streitigkeiten über die politische Stoßrichtung bezüglich des Umgangs mit der Vergangenheit von Außenminister Joseph Fischer (Die Grünen). Müller-Vogg hielt Fischer dessen Vergangenheit vor. Die anderen FAZ-Herausgeber um Frank Schirrmacher dagegen wollten Fischer nicht am Zeuge flicken.
Diese Unstimmigkeit innerhalb der Führungsriege führte zu offen ausgetragenen Scharmützeln in der FAZ. Schirrmacher „vergab“ Fischer in der FAZ bereits am 10. 2. 2001 und reagierte damit auf Meinungsbeiträge Müller-Voggs. Am 16. 1. 2001 sprach Müller-Vogg Fischer das Recht ab, wegen seiner Vergangenheit am „Aufstand der Anständigen“ teilnehmen zu dürfen. Müller-Vogg schrieb am 21. 1. 2001 (“Das Thema Fischer bleibt“), es stünde für Fischer eine schwere Woche bevor, er habe nicht bereut, sei hochmütig gegenüber allen, die ihn nicht bewundern, er verachte diejenigen, die in den 70er-Jahren die junge deutsche Demokratie nur mit verfassungsmäßigen Mitteln haben reformieren wollen. Drei Tage später titelte Müller-Vogg: „Was nun, Herr Fischer?“ Und schrieb, dass Fischer „wie alle Vertreter seiner Zunft [. . .] für ihn Nachteiliges nur und erst dann einräumt, wenn er es nicht länger abstreiten kann“. Fischer habe gelogen, als er als Zeuge in dem Frankfurter Opec-Prozess bestritt, Margit Schiller 1973 Unterkunft gewährt zu haben.
Am 11. 2. 2001 dann tritt Müller-Vogg als Stichwortgeber für den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch auf, den er interviewt und dem er in einer feststellenden Frage serviert, es gebe Hinweise, dass Fischer bei der Vorbereitung eines Molotowcocktailanschlags auf das spanische Generalkonsulat beteiligt gewesen sei, die Staatsanwaltschaft dies aber absichtlich nicht untersucht habe. An anderer Stelle schlägt er vor, die „Untaten“ Fischers zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag zu machen.
Weil das Schirrmacher & Co im Herausgeberkreis zu weit ging, führte Schirrmacher am 17. 2. 2001 ein seitenlanges wohlwollendes Interview mit Fischer über „Evolution und Revolution“. Darin heißt es in einer servilen Frage an Fischer: „Sie erleben eine schlimme Zeit . . . Haben Sie in den letzten Wochen nicht auch manchmal gedacht, dass wir mit Biografien und Lebensleistungen zu erbarmungslos umgehen. Bedauern Sie das nicht?“
Das veranlasste einen Tag später Müller-Vogg zu einer Replik mit dem Titel „Fischer und seine Freunde“. Darin gibt er eine Tirade über die angeblichen Journalistenfreunde Fischers von sich, die “Fischers radikale, gewalttätige und zutiefst undemokratische Vergangenheit in mildem Lichte erscheinen [. . .] lassen“ , und denen allein er seinen Aufstieg zu verdanken habe. Das konnten Schirrmacher & Co nur auf sich beziehen. Nach dieser journalistischen Kontroverse über Fischer wurde Müller-Vogg am 20. 2. 2001 wegen „Vertrauensbruchs“ fristlos gekündigt.
Das Dementi: Müller-Vogg sagte nach der Entlassung der taz, er habe „Berichte, er sei aus politischen Gründen von seiner Funktion entbunden worden, nie dementiert“.
Der Prozess: Das Landgericht Hamburg hat der FAZ in einer Zwischenverfügung aufgegeben, darzulegen, warum Müller-Voggs Herausgebertätigkeit beendet wurde. Fällt das nicht hinreichend unpolitisch aus, wird die FAZ den Prozess verlieren. Die FAZ hat sich zwischenzeitlich geweigert, den genauen Grund für das fristlose Entfernen von Müller-Vogg aus dem Herausgeberkreis zu nennen. Über die einstweilige Verfügung und die Klage der FAZ gegen die taz wird am 7. 12. in Hamburg verhandelt.
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