: Geschwisterkinder-Regelung rechtswidrig
■ Oberverwaltungsgericht kippte Vorrecht bei der Wahl der Schule
Die so genannte „Geschwisterkinderregelung“ ist vom Bremer Oberverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden und wird, so erklärte die Bildungsbehörde, für das kommende Schuljahr abgeschafft. Die Bildungsdeputation wird demnächst mit einer entsprechenden Beschlussvorlage beglückt.
Bisher hatten Eltern einen Platz sicher, wenn sie ihr „zweites“ Kind an derselben Schule anmelden wollten, auf die schon eines ihrer Kinder geht. Wenn eine Schule über Losverfahren knappe Plätze verteilen musste, waren die „Geschwisterkinder“ davon ausgenommen.
„Die Geschwisterkinder-Regelung ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar“, stellte das Oberverwaltungsgericht im Oktober in einer Eilentscheidung fest. Geklagt hatten Eltern, deren Kind am Leibnizplatz keinen Platz mehr bekommen hatte, nachdem 31 „Geschwisterkinder“ vorrangig aufgenommen worden waren. Dass die „Geschwisterkinder“ auf dieselbe Schule gingen, sei vorrangig das Interesse der Erziehungsberechtigten, die dann nur zu einer Schule Kontakt halten müssten, erklärten die Richter. „Die Interessen der Erziehungsberechtigten sind aber keine pädagogischen Gesichtspunkte“. Nur nach besonderen pädagogischen Gesichtspunkten könne eine Schule anders als per Los die Auswahl der Schüler treffen, wenn es mehr Anmeldungen als verfügbare Plätze gibt.
Der Hinweis auf „pädagogische Gesichtspunkte“ steht im Bremer Schulgesetz. Durch eine Änderung des Schulgesetzes wäre das Problem aber nicht zu klären: Die Richter schreiben in der Entscheidungebegründung, dass die „Geschwisterkinderregelung“ soar gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen könnte: „Zumindest unter den kleinräumigen Verhältnissen eines Stadtstaates“ seien verschiedene Schulwege bei gleichem Schulangebot zumutbar und kein gewichtiges Argument, den Gleichheitsgrundsatz einzuschränken. (OVG 1B 362/01)
In der vergangenen Woche ist bei der Schulleiter-Dienstbesprechung die Abschaffung der Geschwisterkinder-Regelung angekündigt worden. Unter den Schulleitern sind die Reaktionen unterschiedlich. Einige finden die Argumentation des Gerichtes durchaus nachvollziehbar. Am Alten Gymnasium, das aus der gesamten Stadt angewählt werden kann, werden Kinder aus weiter entfernten Stadtteilen oft von ihren Eltern gebracht. Es sei nicht nur für die Eltern praktischer, sondern auch „pädagogisch sinnvoll“, dass Schulkinder an dieselbe Schule wie ihre älteren Geschwister gehen können, heißt es da. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen