: Ampel vor dem Klassenkampf
Die Bildungspolitik wird für die Koalitionsverhandlungen eine harte Nuss: Zentrale Fragen wie die sechsjährige Grundschule, Abitur nach der zwölften Klasse und der Religionsunterricht sind heftig umstritten – besonders zwischen Grünen und FDP
von SABINE AM ORDE
Die Bildungspolitik soll ein ausgewiesener Schwerpunkt der neuen Regierung sein – zumindest darin sind sich SPD, FDP und Grüne einig. Doch wie dieser Schwerpunkt im Detail aussehen soll, das dürfte in den kommenden Wochen einer der Streitpunkte bei den Koalitionsverhandlungen der drei Parteien werden. Denn mit der 6-jährigen Grundschule, dem Abitur nach 12 Jahren und der Religionsunterricht sind Kernpunkte der künftigen Bildungspolitik insbesondere zwischen FDP und Grünen umstritten.
Die FDP will in der Grundschule zwei einschneidende Veränderungen, die für die Grünen ans Eingemachte gehen: Sie willdie Grundschulzeit von 6 auf 4 Jahre verkürzen, die Aufteilung der Kinder in leistungsstärkere und leistungsschwächere also zwei Jahre vorverlegen. „Und wir wollen die freie Grundschulwahl“, betont FDP-Bildungsexpertin Mieke Sentftleben.
Bislang müssen Eltern ihre Kinder an einer Grundschule in der Nähe ihres Wohnortes anmelden. In der Praxis tricksen viele Eltern diese Regelung allerdings aus – oder ziehen, wenn die Kinder in die Schule kommen, aus bestimmten Bezirken weg. Das gilt durchaus auch für die grüne Wählerschaft. Die Grünen sind trotzdem für die Beibehaltung der so genannten Schuleinzugsbereiche. Sonst finde in den Problembezirken „eine Abstimmung mit den Füßen“ statt, so der schulpolitische Sprecher Özcan Mutlu. Sein Konzept: „Man muss die dortigen Schulen attraktiver machen.“
Die Grünen sind auch gegen den Vorschlag der FDP, bis 2003 das Abitur nach 12 Jahren zum Regelfall zu machen. Allerdings lehnen sie das Abitur nach der 12. Klasse auch nicht gänzlich ab. „Wir sind für Flexibilisierung, es sollten 12 und 13 Jahre möglich sein“, so Mutlu. Hier haben die Grünen auch die SPD gegen sich. Nach dem Entwurf des neuen Schulgesetzes von SPD-Senator Klaus Böger soll die Schulzeit auf 12 Jahre verkürzt werden.
Umstritten ist auch die künftige Regelung des Religionsunterrichts. Nachdem die Islamische Föderation das Recht auf Erteilung von Islamunterricht juristisch erstritten hat, herrscht hier dringender Handlungsbedarf. Die FPD ist für die Einführung eines Wahlpflichtfachs. Die Grünen bevorzugen einen LER-ähnlichen Unterricht nach dem Vorbild Brandenburgs, gegen den derzeit in Karlruhe allerdings eine Klage der Kirchen läuft. Die Position der SPD ist nicht ganz klar: Während Schulsenator Böger ein Wahlpflichtfach befürwortet, lehnt es die SPD-Fraktion bislang ab. Bislang können die Berliner Schüler ein Wertefach besuchen, müssen es aber nicht.
Interessant werden dürfte auch die Vergabe des Ressorts. Während Schulsenator Böger seinen Job gerne behalten will, liebäugeln auch die Liberalen mit dem Bildungsressort. Allein die Grünen scheinen andere Aufgaben zu bevorzugen.
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