: Wie es ihr gefällt
Wann ist eine Frau eine Frau oder: Wie viel Weiblichkeit muss in einer DJ stecken? In Hamburg trafen sich Musikerinnen und Musikveranstalterinnen, um über Pop und Feminismus zu reden. Konstatiert wurde ein Mangel an Sichtbarkeit im Business
von JENNI ZYLKA
In der besten aller möglichen Welten fände ein Symposium zum Thema „Musikerinnen und Öffentlichkeit“ gar nicht statt. Dort würden die weiblichen DJs, die Radio-Musikredakteurinnen, Konzertveranstalterinnen und Musikautorinnen nämlich Platten auflegen, Radio machen, Konzerte veranstalten und Musiktexte schreiben, anstatt sich in dem kleinen, schnuckeligen Gartenhaus des Hamburger Frauenmusikzentrums fm:z bei Tee und Keksen Schauergeschichten über Machismus in der Musik- und Medienwelt zu erzählen. Die verflixte Frage, die wie eine 80er-Jahre-Räucherkegelwolke über dem vierten espressiva-Symposium am Wochenende in Altona schwebte, müsste also eigentlich lauten: Wenn wir unsere Hälfte der Macht beanspruchen, uns gegenseitig den Rücken stärken, Frauennetzwerke bilden und so weiter, rationalisieren wir uns und Veranstaltungen wie diese dann nicht selbst weg?
Natürlich kann man eine solche Frage nicht stellen, auch wenn die Pressesprecherin des fm:z sie in ihrer Begrüßung anklingen ließ. Denn davor steht die Realität. Die sieht so aus, dass nach wie vor weibliche DJs, Musikerinnen, Veranstalterinnen in der Minderheit sind, bekloppte und ignorante Kollegenkommentare um die Ohren gehauen bekommen (zu einer Schlagzeugerin, die ihr Set aufbaut: Wann kommt denn der Schlagzeuger?). Und wenn sie sich doch entscheiden, Gender als Kriterium gelten zu lassen und bei einem der „Musikerinnen-Festivals“ aufzutreten, sind sie tief drin in der Ecke, die in Stadmagazinen unter der „Frauen“-Rubrik läuft.
Das wollen sie aber auch nicht, die 14 Podiumsgäste, die in Hamburg in Kaffeekränzchen-Atmosphäre über ihre Erfahrungen im Musikbusiness plauschten. Sie wollen, dass das Frauen-und-Musik-Konglomerat als normal gilt, dass der Frauenanteil sowohl im Publikum als auch auf der Macherinnen-Seite steigt. Und sie arbeiten in unterschiedlichster Weise daran: DJ electric indigo aus Wien hat das Netzwerk www.femalepressure.net ins Leben gerufen, in dem man ein paar hundert Künstlerinnen, DJs, aber auch Videokünstlerinnen finden kann. DJ T-INA mixt ihre Tunes im Berliner female-DJ-Kollektiv „femmes with fatal breaks“ und betreibt damit ebenfalls erfolgreich „Labelling“; das Grand Nordlicht der guten Musik, Gitti Gülden, vom NDR achtet in ihren auf die Nachtschiene verbannten Radiosendungen auf den Musikerinnenanteil, und die Veranstalterinnen von „Wie es ihr gefällt“ und den „fiesen Diven“, einer jungen, fünfköpfigen Hamburger Frauschaft, lassen nur weiblich dominierte Acts auftreten, um den „Mangel an Sichtbarkeit“ von Musikerinnen wettzumachen.
Das ist alles okay und manchmal leider nötig. Unnötig ist aber, dass das Symposium mit den interessanten Titeln und den teilweise amüsanten Teilnehmerinnen immer wieder in eine gemütliche Selbsterfahrungsrunde abrutscht. Dann nämlich, wenn die Frauen vergaßen, dass Sexismus nicht nur da stattfindet, wo Kerle ihn gegen einen benutzen, sondern auch da, wo man selbst alles, aber auch alles auf das Geschlecht bezieht.
Denn oft ist es nicht Machismus, der einen Bühnentechniker einer Bassistin einfach ihr Instrument leiser drehen lässt. Das kann genauso gut eine unterschiedliche Sound-Auffassung oder schlechtes Hörvermögen sein. Oft hat die DJ Schwierigkeiten, einen Club für ihr erstes Set zu finden, weil auch der DJ Schwierigkeiten hätte, da ihn nämlich keiner kennt. Und wenn heute bei den allermeisten Livekonzerten immer noch mehr Männer im Publikum sind, könnte es schlicht daran liegen, dass sich mehr Männer für Livekonzerte interessieren.
„Zweischneidig“ nennt denn auch DJ T-INA den Effekt, dass Frauen sich einerseits aus den Frauentöpfen der jeweiligen Kulturämter bedienen, aber andererseits nicht nur als Frau wahrgenommen werden wollen. Bekanntlich sind diese Töpfe ohnehin nicht riesig. Es gibt aber durchaus Frauen, die in der Musikbranche gut verdienen und erfolgreich sind. Die nämlich, deren auswechselbare Popsongs in den Radio-Rotationen laufen und die in Hamburg leidenschaftlich abgelehnt wurden. Diese erfolgreichen Business-Damen haben das, was beim Hamburger Symposium eher mühselig aus Stichworten wie „Stutenbissigkeit“ herausgelesen werden musste, längst kapiert: Es ist zwar schön, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt produktiv, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und gemeinsam über die musikvereinnahmenden Männer zu schimpfen oder zu kichern. Denn in dem mit Macht, Geld, Chauvinismus und Quotendruck durchsetzten Musikgeschäft zählen vor allem Professionialät und die Fähigkeit, sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu verkaufen. Das gilt für Männer wie für Frauen.
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