: Die sicherheitsriskante Herkunft
Global wirtschaften, lokal diskriminieren: EADS verweigert afghanischer Schülerin den Besuch im Airbus-Werk Finkenwerder ■ Von Sandra Wilsdorf
Weil seit dem 11. September vermeintlich nichts mehr so ist wie zuvor, waren auch die traditionellen Berufsorientierungstage der Gymnasien Osterbek und Farmsen in der vorigen Woche anders. Zur Berufsorientierung im Airbus-Werk Finkenwerder nämlich durften die afghanischen MitschülerInnen nicht mit. Der internationale Luft-und Raumfahrtkonzern forderte eine Liste mit Namen und Herkunft der überwiegend 17- bis 18-Jährigen an und beschied: Afghanen müssen zu Hause bleiben.
Zuerst hat Homeira Malikzada sich gar nichts dabei gedacht, als sie nicht, wie gewünscht, auf der Liste der Airbus-Besucher stand, sondern für ein anderes Projekt eingeteilt war. Als sie den Grund erfuhr, „habe ich mich wirklich schlecht gefühlt. Ich bin doch keine Terroristin, das ist doch die totale Diskriminierung“, sagt sie. Homeira ist 18 und lebt seit zwölf Jahren in Deutschland, sie ist Deutsche. Schülerinnen des Gymnasiums Osterbek regten sich so sehr über die Diskriminierung auf, dass sie vorschlugen, den Werksbesuch zu boykottieren. Ihr Lehrer wiegelte ab.
Dass Afghanen an Werksbesichtigungen zur Zeit nicht teilnehmen dürfen, erklärt EADS-Pressesprecher Rolf Brandt auf Anfrage der taz hamburg mit der „sensitiven Situation, in der sich insbesondere die Luftfahrt befindet“. Dass deshalb eine Schülerin zum Sicherheitsrisiko wird, bittet er zu verstehen: „Wir bedauern diesen Einzelfall sehr. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen.“ Aber im „Rahmen der verschärften Sicherheitsmaßnahmen“ halte sich der Konzern „an Empfehlungen des Bundesinnenministeriums“. Und das habe nicht nur Afghanistan als Risikoland eingestuft, „insgesamt gehören 30 Länder dazu“, sagt Brandt.
Beim Bundesinnenministerium weiß man von einer solchen Empfehlung nichts: „Es gibt zwar eine Staatenliste, aber die hat eine ganz andere Zielrichtung“, sagt eine Sprecherin. So genannte sicherheitsbetreute Unternehmen – und dazu gehört EADS – müssen Mitarbeiter, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, auf ihre Kontakte in bestimmte Länder überprüfen. Länder, deren Nachrichtendienste sich besonders für Geheimnisse deutscher Technik interessieren könnten. Die Sicherheitsüberprüfung soll herausfinden, ob der Mitarbeiter gegen neugierige Attacken der entsprechenden Nachrichtendienste resis-tent ist. Auf dieser Liste stehe sei Anfang der 90er Jahre auch Afghanistan. Aber auch Algerien, Kambodscha, Laos oder der Libanon.
Professor Ursula Neumann, Ausländerbeauftragte des Hamburger Senats, hört erst durch die taz von der neuen Interpretation des Begriffes Risiko. Sie findet es „problematisch, dass man Menschen aufgrund einer Nationalität unter Verdacht stellt“. Das sei kontraproduktiv, aber leider typisch für diese Zeit. Sie hätte sich gewünscht, dass die anderen Schüler solidarisch auf den Besuch verzichtet hätten.
Zugleich kritisiert Neumann das Vorgehen von Airbus, „weil es die jungen Menschen lehrt, dass es legitim ist, nur aufgrund von Staatsangehörigkeiten zu handeln“.
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