: Jazz vor Ort
Das „JazzHaus“-Festival im Hafenklang ■ Von Tobias Richtsteig
Beim Versuch, „Jazz“ zu definieren, gilt meist die Improvisation als Hauptmerkmal. Das Wesentliche dieser Musik ist nicht in Noten – oder auf Schallplatten – fixiert, sondern ergibt sich immer neu in der konkreten Konzert-Situation. Jazz ist traditionell Livemusik und geschieht vor Ort. Die MusikerInnen-Initiative JazzHaus Hamburg e.V. ist deshalb seit Jahren auf der Suche nach einem Haus, nach Räumen für den Jazz. Ein festes Domizil ist zwar noch nicht gefunden, aber einmal im Jahr wird das Jazz-Haus erlebbar im gleichnamigen Festival.
Diesmal gastiert das Jazz-Haus-Festival von heute Abend bis Freitag im Hafenklang nahe dem Fischmarkt. Das Programm unter dem Motto „Real Jazz on a real Place“ trägt dem Veranstaltungsort Rechnung und präsentiert Konzerte mit hohem Unterhaltungs- und Gebrauchswert. Jeweils nach den Shows legt DJ JazzToFunk noch „After-Festival-Dancefloor“ auf. Die drei Abende sind gut durchhörbar gemischt, zwischen HardBop (Tim Rodig Quintett, heute Abend) und Soulciety-Funk (Ghee Tribe, am Freitag) bilden auch Gruppen mit freierem Ansatz den Spannungsbogen der Konzerte.
Zweite Band des heutigen Abends ist das Hamburg Art Trio um den Posaunisten Heinz-Erich Gödecke, der mit Andreas Henze am Bass und dem Schlagzeuger Björn Lücker packenden Free Jazz spielt. Beim letztjährigen OpenAir-Festival in Planten un Blomen konnte selbst einsetzender Regen das überraschte Publikum nicht von der kraftvoll strukturierten Musik des Trios ablenken.
Am Donnerstag eröffnen Club Continental mit eigenen Adaptionen der Musik von The Police den Abend, gefolgt vom Vladko Kucan Quartett. Der Jazz des 38-jährigen Saxofonisten und Produzenten wurzelt in der Tradition der 70er Jahre, der meist vergessenen Reifezeit des FreeJazz amerikanischer Prägung, dessen kreatives Potential von Neotraditionalismus und Postmoderne fast erstickt schien. Kucan zeigt mit Energie und Spielwitz, dass Melodie und Groove nicht im Gegensatz zu einer befreiten Musik stehen. Nach längerer Pause stellt er hier seine lang erwartete neue Besetzung vor.
Der Freitag steht unter dem Motto „Listen to the City“. In Hamburg bedeutet das eine gute Portion Rock und Pop. Psychotronic Attack from Outa Space und Lautlinger stehen für Jazz, der die Verwandtschaft mit der aktuellen populären Musik nicht leugnet, sondern in den Vordergrund stellt. Bemerkenswert: Der extraterrestrische Angriff wird von 10 Musikern des Comedy-Hörspiel-Theaterstücks Die drei Fragezeichen und das Gespensterschloss durchgeführt.
Das Quintett Lautlinger um den Gitarristen Sven Kerschek und den Vibraphonisten Wolf Kerschek, geht harmonisch komplexere Pfade, legt aber auch gerne mal entspannte Grooves aufs Parkett. Wenn Freitagnacht nach dem tanzbaren Abschluß mit Ghee Tribe das Jazz-Haus-Festival ausklingt, laufen die Aktivitäten der Jazzinitiativen in Hamburg unvermindert weiter.
Denn die JazzHaus-Abende sind ja eine Art Festival im Festival: Seit Ende Oktober präsentiert das Jazz-Büro die Veranstaltungsreihe OpenJazz, die im November noch mit zwei interessanten Konzerten aufwartet. Am 21. spannen Wittwulf y Malik (Solo-Cello) und das Ensemble Sondarc mit 6 Kontrabassisten ihre „Klangräume“ in der St. Johanniskirche auf. Der Abend wird im nahe gelegenen Fundbu-reau fortgesetzt, wo sich die Improvisatoren dann in ganz anderen Räumen werden zurechtfinden müssen.
Fragen der Orientierung im Raum stellt dann übrigens auch das letzte Konzert der Reihe: Ge-Suk Yeo (Korea) und Wu Wei (China) treffen am 27. in der Japan-Sammlung des Völkerkundemuseums auf die Hamburger Björn Lücker und Heinz-Erich Gödecke. Gemeinsamer Nenner für klassische chinesische Instrumente wie Sheng und Erhu (Mundorgel und Kniegeige), koreanischen Gesang, Posaune und Schlagzeug ist die tatsächliche Weltmusik unserer Zeit.
Tim Rodig Quintett, Hamburg Art Trio, Impact: heute; Club Continental, Vladko Kucan Quartett, Elevatormusic: Donnerstag, 15. November; Psychotronic Attack From Outa Space, Lautlinger, Frank Delle/Gabriel Coburger Quintett, Ghee Tribe: Freitag, 16. November; jeweils 20 Uhr, Hafenklang (Gr. Elbstr. 184)
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