: „Zurück aufs Gleis“
Peter Zwegat (51), Leiter der Beratungsstelle Dilab in Friedrichshain, hilft verschuldeten Jugendlichen
taz: Herr Zwegat, wie arbeitet ihre Schuldnerberatungsstelle?
Peter Zwegat: Wir beraten von Ver- oder Überschuldung bedrohte Bürger aus Friedrichshain. Die Leute, die zu uns kommen, sind im Durchschnitt mit rund 65.000 Mark verschuldet. Bei dieser Größenordnung wächst der Schuldenumfang allein durch Zinsen pro Monat um etwa 540 Mark.
Warum machen Jugendliche Schulden?
Die jungen Leute verdienen meist recht wenig, haben aber Wünsche, als hätten sie bereits den großen Verdienst. Viele Jugendliche haben auch irrationale Vorstellungen von dem, was sie künftig verdienen werden. Wenn zum Beispiel ein Zehntklässler Kfz-Mechaniker werden möchte, kommen da meist Antworten, als würde alle Welt ab 5.000 Mark aufwärts verdienen.
Geht das durch alle Gesellschaftsschichten?
Ja, allerdings herrschen in den unteren Schichten die schlechteren Bewältigungsmechanismen.
Welche Verantwortung tragen Unternehmen, die ihre Werbung auf Jugendliche zuschneiden?
Es ist sicher nicht so, dass Jugendliche mit der Pistole zu einem Vertrag gezwungen werden. Andererseits haben Handy-Firmen, als das vor einigen Jahren anfing, Verträge rausgeschleudert um jeden Preis. Die Unternehmen müssen sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein.
Was müsste von staatlicher Seite getan werden?
Es müsste gerade, was die Kreditvergabe anbetrifft, mehr Kontrolle geben. Man müsste da auch mal den volkswirtschaftlichen Schaden ausrechnen. Vor allem müssten sich aber auch die Eltern bewusst werden, dass das, was sie ihren Sprößlingen vorleben, später auch bei ihnen ankommt.
Wie helfen Sie verschuldeten Jugendlichen?
Wir müssen zunächst einmal feststellen, welche Ausgaben welchen Einnahmen gegenüberstehen. Dann kontrollieren wir, ob die Vertragsverpflichtungen rechtmäßig zu Stande gekommen und die Zinsen berechtigt sind. Möglicherweise kann man das anfechten. Als nächstes eine soziale Beratung, sind also alle Sozialleistungen wie Sozialhilfe oder Wohnungsgeld ausgeschöpft. Zuletzt dann eine Diagnose der Ausgaben und praktische Tipps, was verändert werden kann. Dann treten wir für den Schuldner in Verhandlungen mit dem Gläubiger, um den umgekippten Zug wieder aufs Gleis zu kriegen, um möglichst einen langfristigen Entschuldungsprozess in Gang zu bringen.INTERVIEW: MICHAEL DRAEKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen