: „Das erste Graffito meines Lebens“
Der Student Raimond Heydt, 27, sprühte am vergangenen Freitag „Make love not war“ an das Bundeskanzleramt – drei Meter lang und leuchtend rot. Das Recht dazu leitet er aus dem Grundgesetz ab. Gegen seine Festnahme will er klagen
taz: Herr Heydt, mit welcher Farbe haben Sie da eigentlich des Kanzlers Wand besprüht?
Raimond Heydt: Leuchtend Rot. Das war ganz normale Lackfarbe aus dem Baumarkt, die Dose für zwölf Mark.
Ihr Spruch wurde sofort wieder weg gewischt – dafür stehen Sie jetzt in der Öffentlichkeit. Es scheint, als habe die Aktion eher Ihrem persönlichen Geltungsbedürfnis gedient.
Nein. Jedes Mal, wenn Leute etwas darüber lesen oder das Foto sehen, denken sie vielleicht: Moment, in diesem Land passiert etwas Falsches.
Geht ihre Botschaft über „Make love not war“ hinaus?
Ich wollte zeigen, dass Sicherheit eine Fiktion ist. Und dass man sich vor diesem Staat nicht fürchten muss. Außerdem wollte ich vor der Bundestagsdebatte die Friedens-Botschaft noch einmal in die Köpfe bringen.
Wie entstand das Graffito genau?
Erstmal habe ich gehofft, dass die Spraydose nicht versagt. Schließlich war es das erste Graffito meines Lebens. Mit dem Peace-Zeichen habe ich angefangen. Und als ich beim „not“ war, habe ich über die Schulter schon Polizisten herbeirennen sehen. Vorher konnte ich aber noch zuende schreiben. Wenn ich eine Minute mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich mich vor die Wand gesetzt – als Friedensmahnwache.
Was ist nach Ihrer Festnahme passiert?
Die Streifenpolizisten haben mir Handschellen angelegt. Weil ich meinen Namen nicht nennen wollte, brachten sie mich in die Gefangenensammelstelle Tempelhofer Damm. In der Nacht schlief ich in einer Gruppenzelle zusammen mit einem Dutzend Kettenraucher.
Samstag wurden Sie entlassen. Sind Spraydosen fürs erste tabu?
Das war eine einmalige Aktion. In den letzten Tagen habe ich vor dem Reichstag mit Mahnwachen weiter protestiert, wurde von der Polizei aber immer wieder daran gehindert. Habe ich überhaupt schon von meiner Rechtsauffassung erzählt?
Nein. Bitteschön.
Also: Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, insbesondere Angriffskriege, sind laut Artikel 26 des Grundgesetzes verfassungswidrig. Die Stationierung deutscher Soldaten im Ausland stört das friedliche Zusammenleben aber ungemein.
Und daraus leiten Sie das Recht für Ihre Spray-Aktion ab?
Nach Artikel 20 habe ich das Recht, gegen jeden Widerstand zu leisten, der die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen will. Ich habe kein Attentat auf Herrn Schröder verübt, sondern nur seine Wand besprüht. Das ist durchaus noch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Deshalb habe ich gegen meine Verhaftung geklagt.
INTERVIEW: ULRICH SCHULTE
Raimond Heydt studiert laut eigenen Angaben Philosophie, Politik und Altgriechisch in Berlin und ist seit 1995 Mitglied der SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen