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„Wir piesacken“

Heidi Tischmann, Vorsitzende der niedersächsischen Grünen, über den Stand ihrer Partei im Wendland

taz: Der zweite Castor-Transport in diesem Jahr: Was ist diesmal anders?

Heidi Tischmann: Die Polizei ist wesentlich mobiler, wesentlich präsenter. Sie schränkt ziemlich effektiv die Bewegungsfreiheit des Protestes ein. Aber wir haben uns darauf eingestellt. Auch unser Protest ist wesentlich dezentraler als zuletzt. Wir piesacken mit vielen kleinen Aktionen.

Sie sprechen von „wir“. Die niedersächsischen Grünen demonstrieren gegen die bundesdeutschen Grünen?

Niedersachsens Grüne sagen, der Atomkonsens ist uns zu wenig. Die Energiekonzerne haben knallhart verhandelt und sich durchgesetzt. Es muss aber jetzt sofort Schluss sein mit der Wiederaufarbeitung. Nur so können wir die Rücktransporte nach Gorleben verhindern. Die Grünen in Niedersachsen haben da eine andere Position als die Bundesgrünen. Das ist den Menschen in Niedersachsen vermittelbar.

Hätten Sie das Claudia Roth oder Jürgen Trittin gern hier vor Ort direkt gesagt?

Ich erwarte nicht von einem Bundesumweltminister, dass er bei den Transporten auftritt. Von der Parteispitze hätte ich schon ganz gern jemanden hier gesehen, einfach um die Ängste hier erlebbar zu machen. Allerdings nicht in so exponierter Stellung wie Claudia Roth zuletzt. Sie hat da was Gutes tun wollen, das ist schief gegangen.

„Den Castor schaffen sie uns nicht vom Hals, dafür schicken sie unser Land in den Krieg“, heißt es hier bei den Demonstranten zu Ihrer Partei. Sollten die Grünen die Regierung verlassen?

Es geht um die Sache: Wir müssen entscheiden, ob der Antrag der Bundesregierung sinnvoll im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist. Wir Grünen in Niedersachsen sagen: Es hat keinen Sinn, die Bundeswehr nach Afghanistan zu schicken, dass bringt nichts in diesem Kampf. Wir haben einen offenen Brief an die Bundestagsfraktion geschrieben und unsere niedersächsischen Bundestagsabgeordneten aufgefordert, gegen den Antrag zu entscheiden.

Der Ruf ist ramponiert, und im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen an. Die nächste Wahlschlappe der Grünen?

Wir haben keinen schlechten Ruf in Niedersachsen!

Im Wendland schon.

Ja, das stimmt, und das werden wir auch nur schwer korrigieren können. Ich sage hier: Wenn die Bundesgrünen sich jetzt für Krieg entscheiden, wird es schwer werden, die Grünen in Niedersachsen für einen Bundestagswahlkampf zu mobilisieren.INTERVIEW: NICK REIMER

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