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Briten verschieben Stationierung in Kabul

London verhandelt mit Nordallianz. USA bombardieren von den Taliban verlassene Provinzen. Medien berichten über Massaker der al-Qaida in der belagerten Stadt Kundus. Pakistan will diplomatische Beziehungen zur Taliban abbrechen

LONDON/KABUL ap/dpa/afp/taz ■

Die britische Regierung hat die Entsendung tausender Truppen nach Afghanistan verschoben. Nach Berichten der BBC fiel die Entscheidung aufgrund von „entmutigenden“ Berichten der bereits bei Kabul eingesetzten Einheiten. Die Verlegung der Truppen sei für gestern vorgesehen gewesen, die Regierung habe aber noch die Notwendigkeit weiterer Gespräche mit Vertretern der Nordallianz gesehen.

Die etwa 100 Soldaten der britischen Kommadoeinheit Special Boat Service (SBS) haben die Kontrolle über den etwa 16 Kilometer nördlich der afghanischen Hauptstadt gelegenen Flughafen Bagram. Der gestern in Kabul eingetroffene neue Repräsentant Großbritanniens in Afghanistan, Stephan Evans, wies jedoch Berichte zurück, die Verzögerung der Stationierung könne bedeuten, dass sie vollständig aufgegeben würden. „Es gibt Anzeichen dafür, dass Forschritte in den Verhandlungen mit der Nordallianz erzielt werden“, sagte Evans. „Aber Sie müssen verstehen, dass die Nordallianz keine einheitliche Organisation ist.“

Die nordostafghanische Stadt Kundus wird neuesten Berichten zufolge weiterhin von Taliban-Kämpfern kontrolliert. Nach eigenen Angaben zog die Nordallianz gestern den Belagerungsring um die Stadt enger. Dabei wurden sie auch wieder durch US-Luftangriffe unterstützt. Sie haheb auf eine Erstürmung der Stadt verzichtet, um die Bevölkerng zu schonen, erklärten Vertrerer der Nordallianz. Während die Taliban-Kämpfer in der Stadt bereit sein sollen, sich unter Aufsicht der Vereinten Nationen zu ergeben, sollen Angehörige der al-Qaida dies ablehnen. Berichten zufolge sollen al-Qaida-Mitglieder einige hundert Taliban-Kämpfer umgebracht haben, die bereit waren, über eine Kapitulation zu verhandeln. Beobachter befürchten bei einem Sturm auf die Stadt ein Massaker an den eingeschlossenen Taliban- und al-Qaida-Kämpfern.

Widersprüchlich sind die Meldungen über die Lage in der Taliban-Hochburg Kandahar im Süden. Berichten zufolge behaupteten die Taliban ihre Kontrolle über die Stadt. Die Situation werde aber immer gespannter, berichteten Gewährsleute aus Kandahar. Nach anderen Berichten verhandelte Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar mit dem Stammesführer Hadschi Bascher über eine Übergabe der Stadt. Dies wird aber von Teilen der Taliban-Gegner abgelehnt, da Bascher als Stütze des Regimes galt. Aus der Provinz Farah in der Nähe der Grenze zu Iran sollen sich die Taliban dagegen zurückgezogen haben. Sprecher paschtunischer Stämme berichteten, die Taliban hätten sich in Verhandlungen am Wochenende zum Rückzug bereit erklärt. Der Abzug sei friedlich vonstatten gegangen.

Unterdesssen gab die pakistanische Regierung bekannt, dass sie das afghanische Taliban-Regierung nicht länger anerkennt. Die diplomatischen Beziehungen würden mangels einer legitimen Nachfolgeregierung jedoch noch nicht offiziell abgebrochen, erklärte Außenminister Abdul Sattar am Montag in Islamabad. Sobald eine von der UNO eingesetzte Übergangsregierung im Amt sei, werde Pakistan mit dieser Beziehungen aufnehmen. Bis dahin werde das Land jegliche Ansprüche afghanischer Führer zurückweisen, sie repräsentierten das ganze Land. Auch eine mögliche Regierung unter dem zurückgekehrten Exilpräsidenten Burhanuddin Rabbani werde Islamabad nicht anerkennen.

Iran hatte am Montag sein Konsulat in der westafghanischen Stadt Herat wieder geöffnet. Nach dem Rückzug der Taliban in der vergangenen Woche sei die diplomatische Vertretung wieder in Betrieb genommen worden, sagte Konsul Mohammed Alawisadeh dem staatlichen iranischen Rundfunk.

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