Kein politischer Prozess der Berufung

■ Vom Verteidiger des Richters zum Staatsrat des Innensenators: Walter Wellinghausen

Walter Wellinghausen hat sich als Rechtsanwalt selbst deklassiert. Als er beim ersten Strafprozess gegen Ronald Schill noch dessen Behauptung unterstrich, er säße allein aus politischen Gründen auf der Anklagebank, da hatten seine Worte Gewicht. Denn als langjähriges SPD-Mitglied stand Wellinghausen nicht im Geringsten im Verdacht, das Verfahren im Schill'schen Sinne politisieren zu wollen. Nun, da er sich vom Innensenator zum Staatsrat berufen lässt, offenbart er, Schill politisch inzwischen näher zu stehen als seiner eigenen Partei. Insofern kämpft er bei des gnadenlosen Richters neuem Prozess ab dem 14. Dezember nicht für die Gerechtigkeit, sondern in eigener Sache.

Seit 1996 arbeitet Wellinghausen als Rechtsanwalt in Hamburg mit den Schwerpunkten Zivilrecht, Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht und öffentliches Dienstrecht. Zehn Jahre lang, von 1980 bis 1990, saß er als Abgeordneter der SPD in der Bezirksversammlung Nord.

Der 57-Jährige ist jemand, auf den das Sprichwort passt: „Stille Wasser sind tief.“ Nicht, dass es Wellinghausen bei öffentlichen Auftritten an Selbstbewusstsein mangeln würde. Aufmerksamkeit zu bekommen, geniesst er sogar sehr. Mit seinem weißen Bart und seinem stets zuvorkommenden Lächeln aber strahlt er eine väterliche Gutmütigkeit aus, die ihm die Möglichkeit eröffnet, der Schärfe gänzlich unverdächtig mit Worten unter die Gürtellinie zu zielen. Seine Worte wählt er mit Bedacht und trägt sie in stets so unaufgeregter Tonlage vor, dass man oft erst nach Abklingen seiner Sätze begreift, welche teils heftigen Angriffe sie beinhalten.

Bei Schills Prozess beispielsweise war sich Wellinghausen nicht zu schade, Amtsgerichtspräsident Heiko Raabe offen eine Intrige gegen seinen Mandanten zu unterstellen. Und wenn der aufgebracht jegliche Sachlichkeit vergaß, lächelte Wellinghausen milde.

Schill, der sich als Innensenator dem Ziel verschworen hat, das Image der Polizei zu verbessern, dürfte auf Wellinghausen 1998 aufmerksam geworden sein. Da vertrat der Anwalt die beiden Polizisten, die 1994 bei einer Kundgebung Jörg Haiders auf dem Gänsemarkt den Journalisten Oliver Neß schwer verletzt haben sollten. Das Landgericht hatte die Beamten wegen Körperverletzung verurteilt. Wellinghausen erwirkte 1998 Freispruch vor dem BGH. Elke Spanner