BIOWAFFEN-KONVENTION: EUROPA SOLLTE DIE USA IGNORIEREN
: Im Keim erstickt

Angriff ist die beste Verteidigung – nach diesem altbewährten Muster haben die Amerikaner gestern die Biowaffen-Konferenz in Genf eröffnet. Der ganz undiplomatische Frontalangriff gegen die üblichen Verdächtigen mit seiner brachialen Schurkenstaaten-Rhetorik hat sein Ziel erreicht und von der eigenen biologischen Aufrüstung Washingtons abgelenkt. Letzte Hoffnungen auf einen diplomatischen Erfolg in Genf, auf eine Stärkung der Biowaffen-Konvention, sind gleich zu Beginn im Keim erstickt. Das ist zwar bedauernswert, aus Sicht der Amerikaner aber nur konsequent. Bemerkenswert hingegen ist die Hilflosigkeit Europas, das nicht einmal den Versuch unternimmt, das drohende biologische Wettrüsten doch noch zu verhindern. Im Gegenteil – jetzt versichern die Europäer, dass sie einem Abkommen ohne die USA niemals zustimmen würden, und nehmen sich damit das letzte verbliebene Druckmittel.

Vieles spricht dafür, dass die US-Amerikaner jetzt auf Zeit setzen. Umgekehrt sollten nun die Europäer mit den anderen Vertragsstaaten ein starkes Protokoll verabschieden, das Offenlegungspflichten für Laboratorien, Kontrollinspektionen und multilaterale Exportkontrollen vorsieht. Später wird dann die politische Konstellation kommen, bei der auch Washington diesem Vertrag beitreten wird. Auf ein Jahr früher oder später kommt es dabei nicht an.

Aber Europa und allen voran die rot-grüne Bundesregierung meidet beim Thema Biowaffen jeden Streit. Aktuell dominiert Afghanistan das Mediengeschehen, aber langfristige Sicherheit entsteht nur aus einer langfristigen Politik. Es ist unverantwortlich, Maßnahmen gegen ein biologisches Wettrüsten jetzt still und leise in der Versenkung verschwinden zu lassen, nur weil die aktuelle politische Lage nicht opportun erscheint. Wir stehen erst am Anfang der biotechnischen Revolution – wenn wir jetzt nicht den militärischen Missbrauch von Gen- und Biotechnologien im Keim ersticken können, werden wir in Zukunft mit ganz anderen Bedrohungen zu rechnen haben als mit ein paar Milzbrandbriefen. JAN VAN AKEN

Der Autor ist Zellbiologe in Hamburg und arbeitet für das „Sunshine Project“ zur weltweiten Ächtung von Biowaffen.