: Neuseeland verlässt den antinuklearen Kurs
Die Zusage zur Entsendung neuseeländischer Truppen für den Krieg in Afghanistan sorgt in der von Labour geführten Linkskoalition für Ärger
MELBOURNE taz ■ Neuseeland rätselt: Wo sind die SAS-Elitesoldaten des Landes? Schon auf dem US-Militärstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean, um sich zusammen mit britischen Sondertruppen auf den Einsatz in Afghanistan vorzubereiten? In der Hauptstadt Wellington weigert sich Verteidigungsminister Mark Burton, dies zu bestätigen oder zu dementieren. Die Sondereinheit hatte schließlich Premierministerin Helen Clark US-Präsident George W. Bush als Beitrag ihres Landes für den Krieg gegen den Terrorismus zugesagt.
Dies ist jedoch umstritten. Einige Mitglieder der linken Allianz-Partei, die mit Clarks Labour-Partei die von den Grünen geduldete Regierungskoalition bildet, lehnen eine Truppenentsendung ab. Allianz-Führer Jim Anderton unterdrückte die Rebellen aber mit starker Hand. Clarks Afghanistan-Entscheidung schadete Labours Popularität nicht: In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage führt Labour weiter mit 43 Prozent Zustimmung. Die Beliebtheit der Allianz-Partei sank dagegen von 3,8 auf 3,4 Prozent, während die ebenfalls kritischen Grünen von 8 auf 7,2 Prozent fielen.
Clark lenkte Neuseelands Beziehungen zu Washington wieder in alte Bahnen. Sie waren 1986 verlassen worden, als die damalige Labour-Regierung Neuseelands Häfen für atomar bewaffnete oder angetriebene Schiffe sperrte. Die parlamentarische Festschreibung dieser Politik führte zur faktischen Aufkündigung der US-Sicherheitsgarantien und zum Ende der neuseeländischen Mitgliedschaft im Anzus-Pakt mit den USA und Australien. Neuseeland mit seinen nur 3,8 Millionen Einwohnern erntete damals international viel Beifall, der US-Großmacht so entschieden getrotzt zu haben. Die Antiatompolitik wurde von der Bevölkerungsmehrheit unterstützt und deshalb von allen folgenden Regierungen beibehalten.
15 Jahre lang fühlte sich Neuseeland in seiner Isolation wohl, reduzierte seine Streitkräfte und verließ sich ansonsten auf den größeren Nachbarn Australien. Aber seit den Unruhen in Indonesien und der südpazifischen Inselwelt und dann spätestens mit dem 11. September nahm das Sicherheitsbedürfnis auch in Neuseeland zu. Die Regierung verkündete bereits im Mai eine Verteidigungsreform, die teure Kampfjets abschaffen und dafür Marine und Heer stärken will. Damit sollen die Streitkräfte auf Friedenseinsätze wie in Osttimor zugeschnitten werden.
Aber noch fliegen Neuseelands veraltete 17 Skyhawks bei Manövern in Australien. Ihre geplante Abschaffung wird in Kürze den Hohen Gerichtshof in Wellington beschäftigen. Kritiker fürchten, neuseeländische Bodentruppen könnten in feindlichem Gebiet ohne Luftunterstützung stark gefährdet sein.
Clark stellte erst kürzlich die Weichen für neue Verteidigungsbeziehungen zu den USA, als sie beim Apec-Gipfel in Schanghai Gespräche mit US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell führte. Es sei an der Zeit, den „historischen antinuklearen Ballast“, der die bilateralen Beziehungen belaste, über Bord zu werfen, so Clark.
Bush und Powell waren über die Bekehrung Clarks, die in Washington als strikt antiamerikanische Politikerin galt, erfreut. Das uneingeschränkte Bekenntnis der Premierministerin zum Krieg gegen den Terrorrismus verspricht Neuseeland einen materiellen Bonus. Clarks amerikanische Gesprächspartner sicherten ihr ein für die neuseeländische Wirtschaft wichtiges Freihandelsabkommen zu, um das sich Wellington bisher vergeblich bemüht hatte.
BORIS B. BEHRSING
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