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Ein Schwabenkrimi

Weil SWR-Redakteur Gunter Haug im Roman über eine namenlose ARD-Anstalt im Ländle herzieht, hat ihn Intendant Peter Voß fristlos gekündigt

von STEFFEN GRIMBERG

Ein Intendant, der dichtet, mag ja noch angehen. Beim leitenden Redakteur, der nebenbei Krimis schreibt, in denen der Südwestrundfunk (SWR) schon mal als „Spätzlesender“ verhohnepiepelt wird, hört der Spaß aber auf: Weil Gunter Haug durch „herabsetzende und diffamierende Darstellung“ in seinem jüngsten Roman „Höllenfahrt“ seine „Loyalitätspflichten gegenüber dem SWR in erheblichem Ausmaße verletzt“ habe, hat ihn die Anstalt fristlos gekündigt.

Haugs fünfter Schwabenkrimi um Kommissar Horst Meyer (siehe Buchtipp) stört neben dem Seelenfrieden von SWR-Intendant Peter Voß auch „den Betriebsfrieden“ offenbar derart, dass der Redakteur, „der sich im Klappentext des Buches als ‚Abteilungsleiter Fernsehlandesprogramm‘ (. . .) zu erkennen gibt“ (O-Ton SWR-Erklärung), nun „charakterlich ungeeignet für eine weitere Beschäftigung“ sei: „Der SWR kann es nicht zulassen, dass das Ansehen des Senders und seiner Beschäftigten unter dem Deckmantel der literarischen Freiheit (. . .) in den Schmutz gezogen wird.“

Während man beim SWR fürs Lesen des Romans noch einige Monate brauchte – das Buch wurde im August ausgeliefert –, vollzog sich der Rausschmiss prompt: Schon am Mittwoch durfte Haug seine wöchentliche „Abendmelodie“ im SWR-Fernsehen nicht mehr moderieren, dafür gab’s eine Wiederholung.

Haug, der seit 20 Jahren für den SWR bzw. dessen Vorgängeranstalt Südwestfunk (SWF) arbeitet, sieht sich als unbequemer Mitarbeiter kaltgestellt: „Ich fühle mich beschissen, dass ich nach so langer Zeit einfach in die Ecke geklatscht werde. Doch das werde ich mir nicht bieten lassen“, so Haug gestern zur taz: „Mir stopft man das Maul auf diese Weise nicht.“ Auch in Senderkreisen heißt es, dass der Roman wohl vor allem willkommener Anlass, aber nicht die alleinige Ursache für das Vorgehen der SWR-Spitze gegen den langjährigen Mitarbeiter war.

Offenbar spielen hier auch fusionsbedingte Animositäten eine Rolle: Der SWF-Mann Haug war mit der Vereinigung der Baden-Badener Anstalt mit dem Süddeutschen Rundfunk (SDR) zum SWR als Leiter einer Nachrichtenredaktion in die ehemalige SDR-Zentrale Stuttgart gewechselt und dort angeeckt. Außerdem hatte sich Haug oft kritisch zu aktuellen Entwicklungen im Sender geäußert und war zunächst auch als Gegenkandidat gegen den letzten SDR-Intendanten Hermann Fünfgeld angetreten, hatte seine Kandidatur dann aber zurückgezogen. Eine Romanfigur aus „Höllenfahrt“ sei jetzt für Insider klar als damaliger Mitarbeiter Haugs zu erkennen, berichtete die Stuttgarter Ausgabe der Bild-Zeitung.

Offiziell bezieht man sich beim SWR ohnehin ausschließlich auf die „Höllenfahrt“ – und dazu passen dann auch wieder die hehren Dichterworte, die Intendant Peter Voß schon vor einem Jahr veröffentlichte: „Ein Mensch, sensibel, wie er ist/ vergisst, zumal als Journalist/ doch leicht, wie er mit wenig Gift/ den andern in der Seele trifft.“

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