Bremen vor Gericht
: Wider die Trabanten

■ Der Staatsgerichtshof beriet über die Privatisierung staatlicher Aufgaben

Wieviel seiner Aufgaben darf der Staat privatisieren, also in der Form von Gesellschaften wahrnehmen? Diese Frage hat am Samstag den Staatsgerichtshof, das Bremer Landes-Pendant zum Bundesverfassungsgericht, beschäftigt. Die Bremer Grünen hatten geklagt. Ihnen nimmt die Privatisierung überhand und sie sehen die Rechte des Parlaments mehr und mehr beschnitten. Der Staatsgerichtshof, so hatte es am Samstag den Anschein, ist der gleichen Meinung.

Im konkreten Fall geht es nun darum, ob die Wirtschaftsförderung des Landes Bremen durch privatrechtlich organisierte Firmen wahrgenommen werden darf und ob diesen Unternehmen zu diesem Zweck auch staatliche Befugnisse nach dem so genannten Beleihungsgesetz verliehen werden dürfen. Schon jetzt vergibt die Bremer Investitions-Gesellschaft mbH“ (BIG) Subventionen im Namen des Landes Bremen. Die Grünen rügen mit ihrer Klage, dass die Bremer Bürgerschaft in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Haushaltshoheit verletzt wird, denn grundsätzlich dürfe nur ein Parlament über die Verwendung der Gelder des Staates entscheiden. Karoline Linnert, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, monierte darüber hinaus, dass dem Parlament wichtige Informationen vorenthalten würden, ohne die es nicht seiner Kontrollfunktion nachkommen könne. So sei zum Beispiel über die Vergütung der Geschäftsführer der BIG nichts herauszubekommen, weil der Senat diese Auskünfte mit Hinweis auf den Datenschutz verweigere.

„Der Staat darf sich nicht so ausdünnen, dass von der Kontrolle nichts mehr übrig bleibt“, stimmte ihr der Vorsitzende des Staatsgerichtshofs, Uwe Pottschmidt, zu. Bremen ist insgesamt an rund 240 privaten Gesellschaften beteiligt. Pottschmidt erklärte, er frage sich, wie man die alle kontrollieren wolle. Dann wies er darauf hin, was für einen Unterschied es macht, ob der Staat oder eine privatrechtliche Gesellschaft wie die BIG handelt: „Im Geschäftsleben gibt es Geschäftsfreunde, mit denen man bevorzugt Geschäfte macht, da ist nichts Anrüchiges bei, aber im staatlichen Bereich darf es doch keine Förderungsfreunde geben, die man bevorzugt fördert, nur weil man sich schon lange kennt.“

Der Vertreter des Landes Bremen, Joachim Wieland von der Universität Frankfurt, wies die Tendenz zur Verselbstständigung der Gesellschaften zurück. Die sei politisch nicht gewollt: „Es sollen nicht autonome Trabanten entstehen, die am Ende des Jahres eine schwarze Zahl in der Bilanz ausweisen müssen und ansonsten in Ruhe gelassen werden.“ Doch es sei ausreichend, wenn das Land Bremen seinen Einfluss auf die Geschäftsführer der Gesellschaften ausübe und nicht in die Gesellschaften hineinregiere.

Das Gericht ließ in der Verhandlung durchblicken, dass es mit dem Beleihungsgesetz nicht ganz glücklich ist und es mindes-tens zu einem kleinen Teil für verfassungswidrig hält. Das Urteil soll am 15. Januar 2002 verkündet werden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen begrüßte am Wochenende „ausdrücklich“ die verfassungsrechtliche Überprüfung des Beleihungsgesetzes. Die Verhandlung am Samstag habe gezeigt, „dass es eine Reihe von juristischen und praktischen Fragen der effektiven Kontrolle gibt, die grundsätzlich geklärt werden müssen.“

Tom Brägelmann