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Telefonseelsorge für die grüne Basis

Nach dem Parteitagsbeschluss der Grünen in Rostock treten in Rheinland-Pfalz und Hessen einige Menschen aus der Partei aus. Andere hingegen treten neu ein. BasisGrün in Hannover verschickt Austrittsformulare

FRANKFURT taz ■ Der Landesgeschäftsführer der hessischen Grünen nimmt es gelassen. Ganze zehn grüne Friedensfreunde hätten seit dem klaren Votum der Bundesdelegiertenversammlung (BDV) für eine Beteiligung der Bundeswehr am bewaffneten Kampf gegen den Terror ihre Mitgliedschaft in der Partei aufgekündigt, räumte Dirk Langolf gestern auf Nachfrage ein. Dafür aber seien fünf Menschen gerade wegen der eindeutigen Beschlussfassung in Rostock eingetreten.

Das vorläufige Fazit von Langolf: „Plus fünf, weniger zehn, macht minus fünf.“ Damit könne die Partei in Hessen leben. Auf dem „Flugzeugträger Pfalz“ mit der größten US-Base der Welt, Ramstein, haben seit dem vergangenen Sonnabend ganze zwei Grüne aus Bad Kreuznach ihre Partei fluchtartig verlassen. In Bad Dürkheim trat dagegen ein Mensch ein, bilanzierte Konrad Niesel von der Landesgeschäftsstelle der rheinland-pfälzischen Grünen in Mainz.

Niesel verschwieg nicht, dass ein Friedensaktivist der Partei schon nach der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) am vorletzten Sonnabend in Kaiserslautern den Rücken kehrte. Der schon ältere Grüne hatte dort ein Fahndungsplakat geklebt, auf dem der Kanzler und sein grüner Außenminister steckbrieflich gesucht wurden: „wegen Kriegsverbrechen“. Landesparteisprecherin Marion Blitz entfernte die „Sauerei“; der Friedensaktivist war beleidigt – und trat umgehend aus der Partei aus.

Die Probleme bei den Grünen in Rheinland-Pfalz und in Hessen könnten noch kommen, und zwar auf den nächsten Kreisversammlungen der Grünen etwa in Daun und im Westerwald (Rheinland-Pfalz) oder in den Landkreisen Main-Kinzig und Hersfeld-Rotenburg (Hessen). Dort gab es satte Mehrheiten „gegen den Krieg“ schon vor Rostock; und danach verkündeten Sprecher dieser Kreisverbände den bevorstehenden kollektiven Austritt ihrer Mitglieder aus der Partei.

In Rheinland-Pfalz will der Landesvorstand jetzt im Rahmen einer für den Donnerstag angekündigten „Telefonkonferenz“ die Stimmung an der Basis ausloten und renitente Mitglieder wieder auf Parteilinie bringen.

Im Kreisverband Daun etwa, sagt der Kreisvorsitzende Karl-Wilhelm Koch, seien „wenigstens zwei Drittel“ der insgesamt 24 eingeschriebenen Parteimitglieder so sauer, dass sie wohl niemand mehr von ihrem ganz persönlichen Austrittsbeschluss werde abbringen können. Koch kündigte die Unterbrechung der Zusammenarbeit des KV mit der Bundespartei an. Die Organisation BasisGrün e.V. mit Sitz in Hannover verschickt dazu Musterantragsformulare an ausstiegswillige Kreisverbände, die „keine Bundesmark mehr“ an die Bundespartei abführen wollen.

Auch im Westerwald und in K-Town Germany (Kaiserlautern) sind viele Grüne der Grünen-Spitze in Partei und Bundestagsfraktion nicht mehr grün. In einem Antrag auf der Landesdelegiertenversammlung hatten die Lauterer vom „Angriffskrieg der USA auf Afghanistan“ gesprochen und für den Fall der Zustimmung der Grünen zu einer deutschen Beteiligung ihren Parteiaustritt angekündigt. Für den Landesgeschäftsführer der hessischen Grünen steht allerdings auch fest: „Gerade bei den Grünen wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.“ Schon auf der BDK seien viele Delegierte aus angeblich oppositionellen Kreisverbänden von der Ernsthaftigkeit der Debatte beeindruckt gewesen und danach „sehr moderat aufgetreten“, sagte Langolf. Wahr sei aber auch, dass etwa 25 Grüne die Partei in Hessen schon in der Woche vor dem Parteitag verlassen hätten. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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