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Annäherung auf dem Petersberg

Die Zeichen bei der Afghanistan-Konferenz stehen auf Konsens: Die Besetzung einer provisorischen Übergangsregierung steht nahezu fest

aus Königswinter SVEN HANSEN

Am dritten Tag der Verhandlungen über die politische Zukunft Afghanistans ist wieder Optimismus angesagt. Noch am Vortag war die gute Stimmung stark gedämpft worden, als nach den emotionalen und positiven Absichtserklärungen des ersten Tages die harte Arbeit an den Streitpunkten begann.

Die größten Fortschritte vermeldete UNO-Sprecher Ahmad Fausi gestern bei der Frage nach einer provisorischen Übergangsregierung und einem provisorischen Übergangsrat. „Vielleicht haben wir noch heute eine endgültige Liste der Kandidaten“, sagte Fausi und ergänzte, dass bereits Listen mit Namen für die beiden Gremien von den vier Verhandlungsgruppen vorgelegt wurden. Die hatten sich am Vorabend auf die Einsetzung einer zwölfköpfigen Arbeitsgruppe geeinigt. Darin stellen fünf Mitglieder jeweils die Nordallianz und die Rom-Gruppe, je einen Vertreter entsenden die Peschawar- und die Zypern-Gruppe.

Die Arbeitsgruppe soll zunächst Kriterien für Mitglieder des provisorischen Kabinetts und eines größeren Rats erarbeiten und sich dann auf Personen verständigen. „Es herrscht Einigkeit, dass hierüber noch in Bonn eine Einigung erzielt werden soll. Ob die Gremien dann bereits hier einberufen werden, ist eine andere Frage“, so Fausi. Die Größe der zu bildenden Gremien stehe aber auch noch nicht fest. So reichten die Vorschläge für die Größe des Kabinetts von 15 bis 25 Personen, für den Rat, eine Art Parlament, sind 120 bis 200 Personen im Gespräch.

Die Einberufung und Arbeit dieser Gremien wird davon abhängen, ob die Nordallianz bereit ist, auch militärische Macht abzugeben, da sonst Minister und Ratsmitglieder der anderen Gruppen aus Sorge um ihre eigene Sicherheit es womöglich vorziehen, nicht nach Kabul zu gehen und ihre Amtsgeschäfte aufzunehmen. Die Rom-Gruppe um Exkönig Sahir Schah, der als symbolische Führungsfigur im Gespräch ist, und die Zypern- und Peschawar-Gruppe fordern deshalb die Einsetzung einer internationalen Friedenstruppe. Das lehnte die Nordallianz bisher ab. Ihr Delegationsleiter Junis Kanuni signalisierte bereits am Mittwoch Bewegung, indem er sagte, eine solche Truppe sei nur „im Rahmen eines umfassenden Friedensabkommens“ denkbar.

Gestern ging er noch einen Schritt weiter und erklärte, er habe sich am Vortag falsch zitiert gefühlt. Nach einigem Herumgerede sagte er schließlich: „Jede Initiative, die zu Frieden und Sicherheit führt, wird von uns willkommen geheißen.“ Damit signalisierte er, dass die Nordallianz sich nicht länger gegen eine internationale Friedenstruppe sperrt. Auf die Frage, wie dieser Wandel zustande komme, sagte Kanuni, das sei schon gestern die Position gewesen. Sie sei nur falsch übersetzt worden. Darauf vergaß der Übersetzer für einen Moment seinen Job und sagte: „Ich hoffe, dass wir morgen keinen dritten Übersetzer brauchen.“

Laut Kanuni bevorzugt die Bevölkerung eine Friedenstruppe aus muslimischen Ländern, als Bedingung formulierte er dies aber nicht. Stattdessen forderte er, dass eine solche Truppe auch die Grenzen sichern müsse, damit Nachbarländer keine Destabilisierungsversuche unternehmen könnten. Damit war Pakistan gemeint, das bis zum 11. September die Taliban unterstützt hatte. Kanuni verwahrte sich schon zuvor gegen den Begriff Nordallianz und bat darum, die von ihm vertretenen Gruppen als „Vereinigte Front“ zu bezeichnen.

Das es mit der Einigkeit allerdings nicht weit her ist, zeigten die Äußerungen von Raschid Dostum, des usbekischen Warlords. Er hatte sich beklagt, dass er in der elfköpfigen Delegation der Nordallianz nur einen Vertreter habe. Laut Kanuni ist das Problem inzwischen gelöst. Wie die taz aus UNO-Kreisen erfuhr, seien „Umschichtungen“ vorgenommen worden. Ohnehin hat die UNO bisher nur als „provisorisch“ deklarierte Delegationslisten veröffentlicht. Sie umfassen mittlerweile 62 Namen, darunter sind 5 Frauen. Von ihnen sitzen 3 am Verhandlungstisch.

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