: Zypern-Gipfel lässt Europa hoffen
Ab morgen verhandeln der griechische Präsident Zyperns und sein türkischer Counterpart wieder miteinander. Kommt es zu keiner Einigung, wird Europa nur den griechischen Inselteil aufnehmen. Das könnte zu einer schweren Krise mit Ankara führen
aus Nikosia KLAUS HILLENBRAND
Mehr als vier Jahre nach ihrer letzten Begegnung treffen morgen Zyperns griechischer Präsident Glavkos Clerides und sein zyperntürkischer Gegenspieler Rauf Denktasch in Nikosia zusammen, um einen Ausweg aus der faktischen Teilung der Insel zu finden. Das Treffen kam überraschend auf Initiative Denktaschs zustande, der zuletzt die Bemühungen der Vereinten Nationen boykottiert hatte.
Eile ist geboten: Schon für Ende nächsten Jahres ist mit einer Entscheidung der Europäischen Union über die Aufnahme neuer Mitglieder zu rechnen, und die Republik Zypern will in jedem Fall dabei sein. Die wirtschaftlichen Rahmendaten sprechen für eine Mitgliedschaft, und beim Abschluss der EU-Kapitel hat Zypern vor allen anderen Kandidaten die Nase vorn. Die Führung der Zyperntürken lehnt den EU-Beitritt in Übereinstimmung mit Ankara bisher strikt ab und hat sich an den Verhandlungen mit Brüssel nicht beteiligt – offenbar in der Hoffnung, damit den EU-Beitritt nur des griechischen Teils der Insel verhindern zu können.
Die jüngsten Äußerungen des EU-Präsidenten sind jedoch eindeutig: „Zypern wird EU-Mitglied werden, und es wird unter den ersten Ländern sein, die beitreten“, sagte Romano Prodi bei einem Besuch in Nikosia.
Obwohl der türkische Premier Bülent Ecevit darauf gar mit einer Annektion des türkisch besetzten Nordens drohte, ist die Position Ankaras nicht mehr so eindeutig. Gegen die beharrenden Kräfte innerhalb von Politik und Militärs machen Wirtschaftsverbände, Intellektuelle und selbst Teile der Administration Druck, sich dem EU-Beitritt Zyperns nicht mehr gänzlich zu verweigern, droht doch andernfalls eine Isolation der Türkei.
Und auch die zyperntürkische Bevölkerung ist aufgeschlossen. Im Armenhaus Nordzypern mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von etwa 5.000 Euro (10.000 Mark) weiss man, dass Europas Strukturfonds einen reichen Segen über das Land schütten würden. Im Sommer demonstrierten in Nord-Nikosia Tausende mit EU-Flaggen. Erst in der letzten Woche sah sich das zyperntürkische Parlament genötigt, eine zweite Staatsangehörigkeit zu verbieten. Denn in diesem Jahr haben mehrere Tausend Zyperntürken im Ausland Pässe der „feindlichen“ Republik Zypern beantragt und erhalten.
Dennoch sehen die meisten Insel-Griechen keinen Grund zum Optimismus. Viele glauben bei dem Treffen an einen Bluff Denktaschs, der damit seine internationale Reputation wieder verbessern könnte. Einen Durchbruch bei den Verhandlungen hin zum angestrebten gemeinsamen Bundesstaat hält man auch in diplomatischen Kreisen in Nikosia für unwahrscheinlich. Eine reguläre Wiederaufnahme der indirekten UN-Gespräche als Folge des Gipfels wäre schon ein Riesenerfolg, heißt es dort.
Kommt keine Einigung zustande, muss die EU wohl wie versprochen die griechische Rest-Republik Zypern alleine aufnehmen. Anderenfalls droht das Parlament in Griechenland, die Mitgliedschaft der osteuropäischen Neumitglieder zu verhindern. Das halbe Zypern als EU-Mitglied brächte nicht nur äußerst verwickelte EU-Sonderbestimmungen für Nord-Zypern mit sich, da dieses völkerrechtlich weiter als Teil der Republik Zypern gilt. Mehr noch fürchten Diplomaten eine schwere Krise zwischen Europa und der Türkei. Deren Widerstand gegen Zyperns EU-Mitgliedschaft könnte zum Bumerang für eigene Bemühungen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen