: „Falsch kommuniziert“
Innensenator Körting (SPD) gibt nach der Straßenschlacht vor der Synagoge Informationsfehler zu. Nazis und Gegendemonstranten müssten aber getrennt werden – wegen gewaltbereiter Autonomer
Interview PLUTONIA PLARRE
taz: Herr Körting, was haben Sie sich dabei gedacht, die jüdische Gemeinde und die Öffentlichkeit so lange über den Verlauf der Route der NPD-Demonstration im Unklaren zu lassen?
Ehrhart Körting: Unsere Informationspolitik war falsch. Wir hätten von vornherein klarstellen müssen, dass wir die NPD nicht durch das Scheunenviertel ziehen lassen. Wir werden daraus für die Zukunft Konsequenzen ziehen. Ich werde heute Nachmittag (gestern, die Red.) ein Gespräch mit der jüdischen Gemeinde führen, in dem ich mein Bedauern zum Ausdruck bringen werde, dass wir das falsch kommuniziert haben.
Seit dem 6. November war klar, dass die Braunen das Scheunenviertel nicht tangieren werden. Das Ganze sieht nach einer Kungelei mit der NPD aus.
Es gab keine Kungelei mit der NPD. Die Versammlungsbehörde hat von Anfang an klar gesagt, dass die Route durch das Scheunenviertel nicht zugelassen wird. Sie hat der NPD eine andere Route vorgegeben. Wenn die nicht akzeptiert worden wäre, hätten wir alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die NPD dazu zu zwingen. Die Polizei teilt die Route aus Sicherheitsgründen nicht mit.
Das ist auch nicht der Vorwurf. Es geht um das Scheunenviertel. Was waren die Gründe für die Geheimhaltungspolitik?
Die Polizei hat befürchtet, dass sich gewaltbereite Gegendemonstranten frühzeitig auf eine neue Route einstellen und Gewalttätigkeiten vorbereiten.
Bei einer anderen Informationspolitik wäre es zumindest nicht vor der Synagoge zu einer Straßenschlacht gekommen. Dass die dortige Polizeisperre als Provokation empfunden werden würde, war doch absehbar.
Dann hätte die Randale woanders stattgefunden. Ziel der Polizei war, mögliche gewaltbereite Demonstranten nicht bis zur Ecke Friedrichstraße kommen zu lassen, weil dort die Neonazis liefen. Der Abstand zu den Rechten sollte möglichst groß sein. Die Intention der Polizei halte ich für absolut richtig. Ob eine Sperre hundert Meter weiter besser gewesen wäre, vermag ich nicht zu beurteilen. Das wird vor Ort entschieden. Aber man sollte Ursachen und Wirkung auseinander halten: Nicht die Polizei hat vor der Synagoge Randale gemacht, sondern die gewalttätigen Demonstranten. Sie haben Polizeiautos, die zum Schutz der Synagoge aufgestellt waren, umgestürzt und demoliert.
Die Jüdische Gemeinde sagt, der Platz vor der Synagoge sei durch die Gewaltszenen entwürdigt worden. Auch die Polizei habe daran Anteil.
In dem Moment, wo die Polizei in einem Steinhagel steht, muss sie eingreifen.
Die Polizeiführung bewertet den Samstag als Erfolg. Sehen Sie das auch so?
Im Ergebnis ist das zentrale Ziel, eine Straßenschlacht zwischen Neonazis und Autonomen zu verhindern, erreicht worden.
Was folgt daraus für künftige Aufmärsche der NPD und Gegendemonstrationen?
Die Strategie der Polizei kann auch in Zukunft nur sein, ein Zusammentreffen von Neonazis und gewaltbereiten Gegendemonstranten zu verhindern. Strategie wird auch bleiben, gewaltbereite Gegendemonstrationen schon im Vorfeld abzufangen. Die armen Polizeibeamten können nicht wie ein Butterbrot auf zwanzig Meter Raum zwischen Neonazis und Autonomen zerrieben werden. Was anders laufen muss, ist die Informationspolitik.
Aber wo bleibt dann das berechtigte Anliegen auf Protest in Sicht- und Rufweite am Straßenrand?
Jeder kann friedlich demonstrieren. Aber das ist nicht die Realität. Teilen der Szene geht es doch nicht darum, den Neonazis zuzurufen: Raus aus Berlin! Denen geht es um Gewalt, egal zu welchem Anlass.
Und was ist mit den vielen tausend Leuten, die so wie am vergangenen Samstag in der Spandauer Vorstadt friedlich ihren Unmut zum Ausdruck bringen wollen?
Sie haben Recht. Im Grunde genommen müsste man am Straßenrand stehen und rufen können: Haut ab aus Berlin! Aber das wird durch die Leute verhindert, die Steine schmeißen. So gesehen betreiben die gewaltbereiten Autonomen das Geschäft der Rechten.
Sind Ereignisse wie die vom Samstag nicht Wasser auf die Mühlen der Neonazis?
Nein. Solange die NPD nicht verboten ist, hat die Polizei deren Grundrechte zu achten. Das haben wir getan. Gleichwohl haben wir diesen braunen Spuk so schnell wie möglich wieder aus der Stadt hinausbefördert.
Sind Ihre Chancen, in einer Ampelregierung wieder Innensenator zu werden, durch die Ereignisse größer oder kleiner geworden?
Der Samstag ist teilweise gut und teilweise schief gelaufen. Ich habe das zusammen mit der Polizei zu verantworten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen