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Eichel wurschtelt sich durch

Dass ausgerechnet Deutschland die Stabilitätskriterien für den Euro womöglich nicht erreichen kann, bringt die EU-Kollegen zum Sticheln. Allzu harsche Kritik bleibt aber aus

BERLIN taz ■ Für Hans Eichel (SPD) hätte das Euro-Finanzministertreffen in Brüssel gestern peinlich werden können. Denn auf der Tagesordnung stand der Stabilitätspakt, den die EU-Länder 1993 geschlossen haben. Darin hatten die Euroanwärter drei Sparkriterien vereinbart: den Schuldenstand unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken, die Neuverschuldung unter 3 und die Inflationsrate unter 2 Prozent zu senken.

Nun läuft gerade das einstige Musterland Deutschland Gefahr, aus dem Sparkurs auszuscheren. Im Vorfeld des Treffens hatten einige Kollegen Eichel deswegen bereits kritisiert. So stichelte der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser: „Es gibt tatsächlich größere Länder, die ihre Budgets noch nicht in Ordnung gebracht haben.“ Der Niederländer Gerrit Zalm warnte, es sei doch wohl klar, dass die Defizitobergrenze von 3 Prozent eine „verbotene Zone“ sei.

Doch Eichel durfte gestern Mittag aufatmen: Allzu harsche Kritik blieb beim Treffen aus. Stattdessen vergewisserte man sich gegenseitig, am so genannten Stabilitäts- und Wachstumspakt festhalten zu wollen. Die Frage, ob Stabilität in Zeiten der Rezession einem Wirtschaftswachstum nicht im Weg stehe, die beiden Ziele also inkompatibel seien, wurde nicht angesprochen. Bis zum 15. Dezember hat Eichel Zeit, in Brüssel einen überarbeiteten Haushaltsplan vorzulegen. Heute trifft sich in Berlin das Kabinett, um das Stabilitätsprogramm zu verabschieden.

Seinen Beteuerungen zum Trotz muss Eichel dabei klar sein, dass es schwer wird, die Schuldengrenze einzuhalten. Im Laufe des Jahres hat er seine Wachstumsprognose für 2002 von 2,6 auf 1,25 Prozent herabgesetzt und die angepeilte Neuverschuldung gleichzeitig von 1,5 auf 2 Prozent erhöht. Offiziell hält er dabei auch an dem Ziel fest, 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. In Interviews schränkte er jedoch bereits ein: Das hänge von der Wirschaftsentwicklung ab.

Vorsichtshalber haben die Deutschen schon mal ein Alternativszenario entworfen. Darin ist nur noch von 0,75 Prozent Wachstum die Rede und von neuen Schulden in Höhe von 2,5 Prozent des BIP. Auch die EU-Kommission erwartet von Deutschland eine Defizitquote von 2,7 Prozent. Im Frühjahr war sie noch von einer Schuldenquote von 1,2 Prozent ausgegangen. Mit 0,7 Prozent prognostiziert die EU Deutschland auch das niedrigste Wachstum in der Eurozone. KATHARINA KOUFEN

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