Halbe Menge heißt halbe Menge

Gericht: Niedersachsen muss 2,5 Milliarden Mark Förderabgaben an privates Erdgasunternehmen zurückzahlen. Nun will sich das Land das Geld über den Länderfinanzausgleich wieder hereinholen. Dagegen kündigt Baden-Württemberg Widerstand an

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Das Land Niedersachsen hat in dem Verfahren mit dem bislang höchsten Streitwert vor dem Bundesverwaltungsgericht gestern eine kostspielige Niederlage kassiert. Nach dem letztinstanzlichen und sofort rechtskräftigen Urteil muss das Land 1,814 Milliarden Mark, die es zu Unrecht als Förderabgaben auf Erdgas erhoben hatte, an die Brigitta Erdöl und Erdgas GmbH (BEB) zurückzahlen. Inklusive der Zinsen von 655 Millionen und 27 Millionen Gerichts- sowie 46 Millionen Mark Anwaltskosten kostet der verlorene Prozess die Landeskasse insgesamt sogar 2,542 Milliarden Mark.

Bei dem Verfahren ging es um 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die zwischen 1980 und 1988 gefördert wurden – und zwar aus einem Vorkommen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, das die BEB, eine Tochter von Deutscher Shell und Deutscher Esso, gemeinsam mit der niederländischen Schwesterfirma NAM ausbeutete. Nach einem Abkommen aus dem Jahre 1962 stand beiden Unternehmen jeweils die Hälfte des Erdgasvorkommens zu. Gefördert wurde das gesamte Gas in den Niederlanden. Auf den anschließend nach Deutschland gelieferten Teil erhob das Land Niedersachsen Förderzins oder später eine Förderabgabe.

Als die Lieferungen 1989 eingestellt wurden, zeigte sich, dass das Erdgasvorkommen zu großzügig geschätzt worden war und alle Lieferungen seit 1980 bereits die rechnerische deutsche Hälfte überschritten hatten. In den restlichen 9 Jahren waren aber noch weitere 20 Milliarden Kubikmeter nach Niedersachsen gepumpt und dort als vermeintlich landeseigener Rohstoff mit Abgaben belegt worden.

Niedersachsen sei nicht befugt gewesen, Abgaben auf Erdgaslieferungen zu erheben, die der deutschen Seite gar nicht zugestanden hätten, entschied der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts. Dass man zunächst angenommen habe, das gelieferte Erdgas entspreche dem vereinbarten Anteil, sei nicht entscheidend. Das Land habe der BEB die überzahlten Beträge zu erstatten.

Für Niedersachsen kommt dieses Urteil des Bundesverwaltungsgericht nicht überraschend. Im Finanzministerium hat man sich längst Gedanken darüber gemacht, wie man den Verlust möglichst weitgehend auf die anderen Bundesländer abwälzen kann. Finanzminister Heiner Aller (SPD) muss die 2,5 Milliarden Mark zwar in den nächsten Tagen erst einmal vollständig zahlen. Mit Ausnahme der Anwalts- und Gerichtskosten will er den Betrag jedoch bei der nächsten Quartalsabrechnung für den Länderfinanzausgleich als negative Steuereinnahme verbuchen.

Gegen dieses Verfahren hat allerdings das Land Baden-Württemberg bereits Widerspruch angemeldet. Als die jetzt zurückzuzahlenden Förderabgaben erhoben wurden, ging nur ein Drittel in den Länderfinanzausgleich ein. Zwei Drittel flossen direkt in die Landeskasse. Erst eine Verfassungsklage Baden-Württembergs führte dazu, dass die Förderabgabe Ende der Achtzigerjahre vollständig in den Länderfinanzausgleich einbezogen wurde.