: Drei sind einer zu viel
Nach vier Wochen Verhandlungen mit FDP und Grünen darf die Berliner SPD dem Kanzler melden: Leider müssen wir doch mit der PDS regieren
von ROBIN ALEXANDER und ANDREAS SPANNBAUER
Am Ende will es keiner gewesen sein. „Die Koalitionsverhandlungen sind gescheitert“, erklärt die grüne Unterhändlerin Sibyll Klotz „und – das betone ich – sie sind an der FDP gescheitert.“ Exakt zur gleichen Zeit, kaum einen Kilometer Luftlinie entfernt, widerspricht Günter Rexrodt: SPD und Grüne trügen Schuld am Scheitern der Gespräche: Mit einer „abgestimmten Strategie“ hätten die Expartner „ultimativ“ Steuererhöhungen gefordert: „Es ging darum, dass wir über die Hürde springen.“ Alles gar nicht wahr, so der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die FDP habe in der vergangenen Nacht mutwillig den Verhandlungstisch verlassen. „Sie war nicht bereit, ihren Beitrag zur Konsolidierung zu leisten. Sie wollte ihre Klientel schonen.“
Was war geschehen? Sechs Wochen nach den Abgeordnetenhauswahlen, nach vier Wochen freudlosen Koalitionsverhandlungen platzten in der Nacht zum Dienstag um drei Uhr früh die Verhandlungen. SPD, Grüne und FDP, die in der Vorwoche ein Sparprogramm mit dem enormen Volumen von zwei Milliarden Mark bis 2006 eingetütet hatten, konnten sich konkret nicht darauf verständigen, dass der Konsum von Wein, Bier und Schnaps in Kneipen und Restaurants ein paar Pfennig teurer werden soll. Die Unterhändler der FDP lehnten eine Erhöhung der Getränkesteuer kategorisch ab – ebenso wie eine Anhebung der Grundsteuer. Dies hätte – zusammen mit einer Straffung der Wirtschaftsförderung – nur 300 Millionen Mark zusätzliche Einnahmen gebracht. Ein Sümmchen bloß – kaum erwähnenswert in einem Haushalt, der allein für dieses Jahr eine Deckungslücke von mehr als zehn Milliarden Mark aufweist. Darüber wurde jedoch gar nicht mehr gesprochen: Schluss war schon, bevor die echten Konflikte überhaupt angegangen wurden. Mehre getackerte DIN-A4-Seiten mit 56 in den Verhandlungen angesammelten Dissensen blieben in den Aktentaschen.
Denn in der Nacht, in der die letzten Feinheiten der Ampel ausgehandelt werden sollten, entdecken die potenziellen Partner plötzlich ihre unterschiedlichen Grundprinzipien. Regina Michalik, Berliner Landesvorsitzende der Grünen, präsentiert für sie augenscheinlich neue Erkenntnisse zur „Ideologie der FDP“: „Solidarität, Steuern, Gleichstellungsgesetzte und Verkehrskonzepte – das waren alles Reizworte in den Verhandlungen“. Bei der FDP gibt man sich hingegen kompromiss- und leidensbereit. „Wir haben jede Menge für uns ungewohnte Formulierungen geschluckt.“ Rexrodt bekommt vor Abscheu kaum die Lippen auseinander, als er Beispiele rot-grüner Prosa aus dem Koaltionsvertrag aufzählt: „Drogenbus. Atomstrom. Gender-Mainstreaming.“ Bei Steuererhöhung sei jedoch Schluss. Heftig widerspricht der Berliner Oberliberale den Anwürfen, er habe die Ampel auf Geheiß der Bundes-FDP ausgeschaltet.
Klaus Wowereit macht gleich beide Partner für das Scheitern der Ampel verantwortlich: „Die SPD wäre in der Lage, sowohl mit der FDP als auch mit den Grünen einig zu werden.“ Nicht aber mit beiden. Wowereit fasst zusammen: „Blockade durch Dreierkonstellation“.
PDS wartet auf Anruf
Da trifft es sich gut, dass noch ein vierter regierungswilliger Partner bereitsteht. In der PDS wartete man gestern schon sehnsüchtig auf den fälligen Anruf des Regierenden Bürgermeisters. Der Anruf wird kommen, schließlich hat nach dem ruhmlosen Scheitern der Ampel auch die Bundes-SPD keine Einwände mehr. Warum auch? Im Oktober wäre eine Machtbeteiligung der USA-kritischen PDS noch das falsche Signal gewesen. Heute ist der Afghanistan-Einsatz schon fast Geschichte.
War das Ganze nur ein abgekartetes Spiel? Die Berliner SPD-Spitze hat nie einen Hehl daraus gemacht, wer eigentlich ihr Favorit für eine Koalition ist: die PDS. Klaus Wowereit zeichnete gestern noch einmal kleinteilig das Scheitern der Ampel nach. Als wolle er die Botschaft senden: Seht her! Wir haben es versucht! An uns lag es nicht!
Die Sozialisten jedenfalls zeigten sich vom Scheitern der Koalitionsverhandlungen demonstrativ überrascht. „Dass die Ampel nicht einmal das Licht der Welt erblickt, hätten wir uns nicht vorstellen können“, sagte der PDS-Landesvorsitzende Stefan Liebich. Zur Regierungsbildung sei die PDS nach wie vor bereit.
Die vier Wochen vergeudeter Ampelverhandlungen könnten die SPD noch teuer zu stehen kommen. Die PDS formulierte bereits erste Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung. Partnerin zweiter Klasse will man in der Parteizentrale im Karl-Liebknecht-Haus auf keinen Fall werden. Ein eingeschränktes Mitspracherecht im Bundesrat werde die PDS auf keinen Fall akzeptieren, sagte Landeschef Liebich. „Die Verhandlungen werden für uns nicht schwerer, weil sich die Zahl der Optionen der SPD verringert hat.“
Der PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi lehnte in diesem Zusammenhang die von der Ampel vorgesehene Streichung von 1.500 Lehrerstellen strikt ab. In führenden PDS-Kreisen gibt es Überlegungen, Gysi für das Amt des Wirtschaftssenators vorzuschlagen. Fraktionschef Harald Wolf unterstreicht noch einmal das neue Selbstbewusstsein der PDS: „Verhandlungen mit der PDS sind neue Verhandlungen.“ Aber: „Wenn Vernünftiges verhandelt worden ist, werden wir es nicht für falsch halten, nur weil es im Beisein der FDP vereinbart worden ist.“
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