: Ein Herz für Wasserstraßen
Deutschlands Flüsse werden jetzt von einem neuen Fernsehsender gewürdigt
Deutschland ist schön, seine Landschaften sind typisch, seine Städte zinnenreich. Und seine Flüsse? Rinnengleich. Wo früher der Wildbach rauschte, romantische Fluten um die Wette mäanderten, fließen heute abwasserverseuchte Flüsse durch ihr betoniertes und begradigtes Bett.
Kein Wunder also, wenn Deutschlands Flüsse heute eher ein Mauerblümchendasein fristen und der Liebhaber von naturbelassenen Fließgewässern lieber zum Grand Canyon als an den Rhein fährt. Die Betreibergesellschaft des Rhein-Main-Donau-Kanals, die sich schon große Verdienste um die Verschönerung deutscher Wasserwege erworben hat, steigt deshalb ins Sparten-TV-Geschäft ein, um das Akzeptanzproblem deutscher Wasserstraßen zu beheben. „Auch Flüsse wie Rhein, Main oder Donau haben mal klein angefangen“, meint Aufsichtsratvorsitzender und Programmchef Alfons Mühlböck, „und es hat lange gedauert, bis sie quasi die Kanalreife erlangten. Aber mit unserem Kanal-TV wollen wir natürlich auch den nicht schiffbaren deutschen Binnengewässern ein Forum bieten.“ Ein Herz für Wasserstraßen – so könnte das Motto des neuen Spartensenders lauten, wenn er demnächst seine Schleusen öffnet und eine Springflut wässriger Programmangebote auf die Zuschauer loslässt. „Als Spartensender für den Binnenschiffer bieten wir natürlich ein absolutes Minderheitenprogramm an“, räumt der sympathische Niederbayer ein, „aber wir sind uns sicher, dass durch unser Angebot das Interesse an Deutschlands Wasserstraßen in kürzester Zeit dramatisch ansteigen wird.“
Hier ein kurzer Blick in die Planungen der Kanalbetreiber:
Mit der Serie „Der Neckarfürst“ wird die deutsche Binnenschiffahrt für die große Samstagabendunterhaltung neu entdeckt! Nach „Havelkaiser“, „Moselgraf“ und „Rheinbaron“ soll nun ein schwäbischer Beutelschneider für volle Tränendrüsen sorgen. Der Schleusenwärter Jens Häberle ist Herr über Geben und Nehmen am Neckarstrand. Im Stil eines mittelalterlichen Wegelagerers kassiert er ab: Ob Schüttgut, Stückgut oder Containerfracht, an der Mautstelle des Neckarfürsten kommt keiner ungeschoren vorbei . . .
Vielen an Schlafstörung leidenden Zuschauern ist die einschläfernde Wirkung von TV-Serien in der Machart von „Elbflorenz“ noch in bester Erinnerung. Mit „Elbkoblenz“ wird an diese ruhmreiche Tradition wieder angeknüpft. Das malerische Städtchen Riesa an der Elbe ist Kulisse, Schauplatz und Hauptdarsteller in einem. Die 64-teilige heitere Familiensendung soll Deutschland auf vergnügliche Weise mit sächsischer Lebensart und der Fahrrinne eines der größten schiffbaren Flüsse Deutschlands bekannt machen. In der ersten Folge wird die spannende Frage behandelt, ob sich die Elbe unter Umständen an den Rhein-Main-Donau-Kanal anbinden ließe . . .
Kanal-TV hat neben den Serien auch einen absoluten Reality-TV-Knüller: Im kleinen Kreis spricht Alfons Mühlböck zuversichtlich aus, was Insider längst ahnten: „Egal ob an Rhein, Main oder Oder, das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Und es wird ein Quotenrenner!“ Dreimal darf geraten werden, wer sich vom Bundesamt für Katastrophenschutz die Exklusivrechte für die 24-Stunden-Nonstopübertragungen gesichert hat.
Spannende Unterhaltung wie in „Schleppverband des Todes“, Liveschaltungen von den beliebtesten Schleusen der Republik und ein täglich zur Prime Time ausgestrahltes dreistündiges Meditationsprogramm mit dem Titel „Pegel Ingolstadt“ vervollständigen diesen lobenswerten Versuch, endlich einmal einen Fernsehkanal einzurichten, der diesen Namen auch wirklich verdient. RÜDIGER KIND
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