: Gong zur ersten Runde am Lerchenberg
Das spannendste Duell seit Ali gegen Foreman: Reim gegen Reitze im Kampf um den ZDF-IntendantInnen-Stuhl
Zur heutigen Wahl haben sich beide Lager am Lerchenberg eingegraben: Mit Helmut Reitze geht die CDU/CSU-Seite auf in den Kampf, der Fliegenträger ist stellvertretender Chefredakteur des ZDF. Die SPD-nahe Fraktion hat sich für Dagmar Reim, die noch nicht so bekannte Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg, entschieden.
Entschieden scheint jedoch auch, dass dieser für 20 Uhr angesetzte erste Wahlgang nicht der letzte sein wird. Denn der ZDF-Fernsehrat, der den Intendanten wählt, hat 77 Mitglieder, und es braucht eine Drei-Fünftel-Mehrheit (47 Stimmen), um zum Ziel zu kommen. Verharrt man allerdings einmal bei der jetzigen Pole-Position für die Wahl – Reim links und Reitze rechts vorne –, dann ließe sich das Rennen um das höchste Amt beim ZDF auf die Formel „Frauen-Power gegen Männer-Mehrheit“ bringen. Dagmar Reim, Jahrgang 1951, wäre überhaupt die erste Intendantin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Republik – und das allein schon ein Sensation. Doch nicht nur die politische Polarisierung im Fernsehrat, speziell auch die Macht der Männer könnte dies verhindern.
Die Männer nämlich haben mit einem Anteil von 55 Mitgliedern gegenüber 22 Frauen eindeutig die Mehrheit in dem Gremium. Selbst wenn sich alle Frauen mit dem Ziel, eine der ihren durchzubringen, zusammentun und mit der verschämt „Freundeskreis“ genannten quasi-Parteiorganisation der SPD für Dagmar Reim stimmten, würde das nicht ausreichen.
Nun haben die Mitglieder der beiden „Freundeskreise“ im ZDF-Fernsehrat längst nicht alle ein Parteibuch in der Tasche – und somit wäre theoretisch viel möglich. Eine Intendantenwahl beim Öffentlich-Rechtlichen ist in der Praxis allerdings immer von der parteilichen Farbenlehre geprägt, das hat die Politik gerade bei der ZDF-Intendantenwahl wieder einmal ungeniert klar gemacht. Und erst recht bei Kampfabstimmungen wird verlässlich so votiert, wie es erwartet wird. Das gilt für den „Freundeskreis Scharnagl“ (CDU/CSU mit FDP) ebenso wie für den „Freundeskreis Rüter“ (SPD mit Grünen/Bündnis 90). Benannt sind die beiden Zirkel nach ihren Leithammeln Wilfried Scharnagl (CSU), ehemals Chefredakteur des Bayernkurier, und Klaus Rüter (SPD) von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.
Keine der beiden Seiten hat freilich bei der Intendantenwahl die absolute Mehrheit. Der Unionsfraktion fehlen dazu fünf, der SPD-Seite sogar zwölf Stimmen. Das bedeutet für den Fall jenseits der frauenpolitischen Variante und nach den Regeln der Realpolitik betrachtet, dass es höchst unwahrscheinlich für die SPD ist, einen ihrer drei nominierten Kandidaten durchzubekommen (neben Dagmar Reim ZDF-Verwaltungsdirektor Hans-Joachim Suchan und ZDF-Fernsehfilmchef Hans Janke). Denn warum sollte die Union ihren komfortablen Vorsprung opfern?
So gesehen ist auch jede weitere personalpolitische Intervention sinnlos, die sich NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) angeblich vorbehält, um noch einen zusätzlichen sozialdemokratisch gefärbten Kandidaten für den ZDF-Topjob zu präsentieren.
Die Union ist und bleibt im Vorteil: Die CDU/CSU kann sich dabei mit ihren Vorstellungen umso eher durchsetzen, je mehr der von ihr in die Wahl geschickte Kandidat für SPD-kompatibel ist. Drei Kandidaten – allesamt ZDF-Hausgewächse – hat sie nominiert: Neben Helmut Reitze sind dies 3sat-Chef Gottfried Langenstein und ZDF-Programmdirektor Markus Schächter. Wenn Reitze im ersten Wahlgang nicht durchkommt, stehen die anderen beiden Gewehr bei Fuß. Apropos Gewehr: Auch in der Bundeswehr gibt es inzwischen Frauen. DIETER ANSCHLAG
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