: „Ganz besonders mies“
Amtsgericht verurteilt Mopo-Reporter wegen übler Nachrede gegen Ex-Innen-Staatsrat Wolfgang Prill. In dem Prozess geriet aber auch die Polizeiführung ins Zwielicht ■ Von Elke Spanner
Thomas Hirschbiegel hat einen Rufmord begangen. Das befand jgestern das Amtsgericht. Es verurteilte den Polizeireporter der Hamburger Morgenpost wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von insgesamt 16.000 Mark. Hirschbiegel habe im Februar dieses Jahres den damaligen Innen-Staatsrat Wolfgang Prill verleumdet, indem er in einem Artikel behauptete, ein einflussreicher Politiker sei Stammgast im Bordell Funny Club.
Am Tag der Veröffentlichung war Prill in die Offensive gegangen und hatte eine Pressekonferenz einberufen: „Ich muss davon ausgehen, dass ich gemeint bin.“ Denn der Staatsrat hatte schon Monate zuvor von dem Gerücht erfahren und Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) darüber informiert. Die Führungsebene von Polizei und Innenbehörde hatte bereits über diesen Verdacht beraten und Ermittlungen angestellt – die im Prozess die Frage nach der Bereitschaft aufwarfen, ernsthaft gegen jemanden aus den eigenen Reihen vorzugehen.
Der Angeklagte
Da in der Mopo der Name jenes Politikers nicht genannt und dessen Gesicht auf dem dazu veröffentlichten Foto unkenntlich gemacht wurde, war die Frage, ob die LeserInnen Rückschlüsse auf Prill ziehen konnten, prozessentscheidend. Hirschbiegels Rechtsanwalt Gerhard Strate hatte auf Freispruch plädiert: Weder im Text noch auf dem Bild sei auch nur im Ansatz zu erkennen gewesen, um wen es sich handele.
Die Staatsanwaltschaft hingegen hatte eine Verurteilung zu 120 Tagessätzen verlangt – damit wäre Hirschbiegel vorbestraft gewesen. Der Ankläger hatte ausgeführt, dass zwar nicht die breite Leserschaft, zumindest aber eine eingeschränkte Öffentlichkeit erkennen konnte, dass Hirschbiegel auf Prill anspielte: Denn einige Monate zuvor hatte er einem Polizeisprecher von dem Bordell-Gerücht erzählt. Innerhalb der Polizei sei der Verdacht kursiert, Hirschbiegel habe die Info bewusst gestreut. Hirschbiegel, so der Staatsanwalt, sei bestrebt gewesen, „Prills politisches Wirken nachhaltig zu beeinflussen“.
Die Richterin ging einen Mittelweg. Sicher habe der Reporter das Gerücht zuvor nicht „bewusst gestreut“. Aber: Als er seinen Artikel veröffentlichte, habe er gewusst, dass es in der Innenbehörde bereits die Runde gemacht hatte. Er habe den Text in dem Wissen veröffentlicht, dass mehrere Mitarbeiter der Polizei Prill darin erkennen würden. Und in dem Artikel habe Hirschbiegel nicht über ein Gerücht berichtet, sondern alles als Fakt dargestellt – und die Geschichte mit privaten Details ausgeschmückt, was sie besonders glaubwürdig erscheinen ließ.
„Sie haben überhaupt nicht recherchiert“, warf die Richterin dem Mopo-Reporter vor. Und das Gerücht, das er in Umlauf brachte, sei „ganz besonders mies: Der Volksmund nennt das, was Sie getan haben, einen Rufmord“.
Dass Hirschbiegel, wie auch der Staatsanwalt sagte, Prill desavouieren wollte, hatte sich im Prozess über mehrere Zeugenaussagen angedeutet: Zwei Polizeibeamte berichteten von einem Gespräch, bei dem Hirschbiegel ihnen gesagt habe, er halte Prill für „einen eiskalten Typen, der über Leichen geht“. Er, Hirschbiegel, werde alles tun, „um Prills Einsetzung als Innensenator zu verhindern“.
Die Polizei
Die Polizeiführung war über das Gerücht, ihr Staatsrat verkehre im Bordell, bereits im Sommer 2000 informiert. Sie prüfte, ob Prill tatsächlich etwas vorzuwerfen wäre. Der damit beauftragte Beamte war im Landeskriminalamt (LKA) eigentlich ein angesehener Mann. Manfred Quedzuweit, zuständig für die „organisierte Kriminalität“, steckte mitten im umfangreichen Verfahren gegen die Rockerbande Hells Angels, als er von dem Gerücht erfuhr. Er zapfte seine Verbindungen an – und teilte wenig später seinen Vorgesetzten mit, dass der Verdacht sich nicht bestätigt habe. Die Polizeiführung nahm das mit Erleichterung zur Kenntnis.
Dann aber führte Quedzuweit noch ein Gespräch über das Thema, und von da an ging es mit seiner Karriere steil bergab. Er informierte Thorsten Mehles, der damals die „Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE)“ leitete, über den Stand seiner Recherchen. Und bestätigte, für seine Nachforschungen einen Kontakt ins Milieu zu halten. Mehles wollte wissen, wer der Kontaktmann sei. Quedzuweit verweigerte die Antwort. Kurz darauf trat er seinen Urlaub an. Als er zurücckehrte, war er in eine andere Abteilung versetzt. Sein Nachfolger im LKA: Thorsten Mehles.
Der wiederum zeigte sich zur Zusammenarbeit mit der Polizeiführung willig bereit. Er unterrichtete sie über jeden Schritt, den er im Fall ihres oberen Dienstherrn Prill unternahm – und stimmte die Ermittlungsmethoden offenbar sogar ab. Ein Beispiel: Einige Tage nach seiner Veröffentlichung bat Hirschbiegel einen ehemaligen Beamten des LKA 17 um ein Gespräch, der jahrelang rund um den Funny Club im Einatz war – und kürzlich an eine Revierwache strafversetzt worden war. Von ihm erhoffte sich der Reporter die Bestätigung, dass Prill tatsächlich Stammgast in dem Bordell war. Als man in der Innenbehörde von dem Termin erfuhr, erwog Polizeipräsident Justus Woydt zusammen mit Kollegen und dem Ermittler Mehles, auf einem Telefonat zu beharren und das abzuhören – juristisch unhaltbar. Schließlich verständigte man sich darauf, einen weiteren Beamten mit zu dem Treffen zu schicken. Denn man hatte Angst, dass Brisantes auf den Tisch kommen könnte. Nicht ohne Grund: Der Polizist, den Hirschbiegel treffen wollte, war nicht nur bis kurz zuvor dienstlich am Funny Club im Einsatz gewesen. Er war strafversetzt worden, als bekannt wurde, dass er auch privat in einem Bordell zu Gast war – dem Funny Club. Staatsrat Prill allerdings, so beteuerte er vor Gericht, habe er dort nie angetroffen.
Das Gerücht
Ein Video, das Prill laut dem Mopo-Artikel bei seinen Bordellbesuchen zeigen soll, ist nicht aufgetaucht. Die Richterin zeigte sich fest davon überzeugt, dass Prill „niemals einen Fuß in den Funny Club gesetzt hat“. Hirschbiegel ist jeden Beweis schuldig geblieben. In einem Gespräch mit Polizisten soll er kürzlich eingeräumt haben, dass die Veröffentlichung „womöglich ein Fehler war“.
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