: Kleine Geschichte eines großen Zeltes
Mit einer Erbschaft von rund einer Million Mark kaufte sich die gelernte Krankenschwester Irene Moessinger ein großes Zirkuszelt und eröffnete das Tempodrom am 1. Mai 1980 am staubigen Potsdamer Platz im Schatten der Mauer – und die Berliner strömten hinein, samt ihren westdeutschen Freuden.
Nur Geld für die linke, lustige Chefin, die im besetzten Kreuzberger „Rauch-Haus“ wohnte und mit dem Schweinchen „Oskar“ selbst in die Manege stieg, fiel keines ab. 1981 war Moessinger pleite, und nur durch Spenden konnte das Zelt erhalten werden. 1983 musste das Tempodrom wegen einer Fliegerbombe unter dem Zelt geschlossen werden. 1984 zogen Moessinger und ihr Zelt an die Kongresshalle im Tiergarten. Die finanziellen Probleme blieben, aber selbst die Aufgeregung der Anwohner über den stinkenden Elefantenmist konnte den Programmen nichts anhaben: Moessinger holte Stars wie Udo Lindenberg, Nina Hagen, John Lee Hooker, Rio Reiser und Eddie Constantine auf ihre Bühne. Hinzu kamen Gruppen aus Lateinamerika und Afrika, experimentelle Kabarettprogramme und Theateraufführungen. 1998 musste das Tempodrom dem Bau des Kanzleramts weichen und in ein Ersatzquartier am Ostbahnhof umziehen. Klar war auch, dass ein Neubau am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg entstehen sollte. Architektenwettbewerbe und die ewige Suche nach rund 40 Millionen Mark Baukosten bildeten seit 1999 den Schwerpunkt der Arbeit. Im gleichen Jahr entschied sich der Stiftungsrat Neues Tempodrom, den zeltförmigen Bau des Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan zu realisieren. 2000 wurde mit dem Bau der Arena begonnen.
Im Herbst 2001, kurz vor der Fertigstellung, brachten Kostensteigerungen auf fast 60 Millionen Mark das Projekt beinahe zu Fall. Das Land Berlin sprang mit einem Kredit von 12 Millionen Mark ein, warf aber Moessinger aus dem Vorstand des Aufsichtsrates für das Neue Tempodrom. Jetzt ist sie wieder das, was sie 1980 einmal war: nämlich Programmmacherin für den Zirkus Neues Tempodrom.
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