: Vor der Gründung die Spaltung
Heute soll in Magdeburg der erste Ortsverband der Schill-Partei im Osten gegründet werden. Aus Protest gegen den Schill-Statthalter Marseille haben bisherige PRO-Anhänger eine eigene Partei gegründet. Ist Marseille ein CDU-Strohmann?
aus Magdeburg MICHAEL BARTSCH
Ronald Barnabas Schill will persönlich nach Magdeburg reisen, wenn heute der erste Ortsverband seiner „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ (PRO) in Ostdeutschland gegründet werden soll. Das sei auch nötig, spotten diejenigen, die noch drei Wochen zuvor bei ihm in Hamburg saßen, dann aber nach der Bestallung von Ulrich Marseille als Schills Statthalters lieber eine eigene Partei gründeten. Der Magdeburger Pressesprecher der Schill-Parteil, Toni Rupprecht, gibt sich unbeirrt: Täglich würden weitere Ortsverbände folgen, vier Bezirksverbände von unten nach oben wachsen, spätestens im Januar habe man die 500 Mitglieder für einen Landesverband zusammen. Parteigründer Schill hält es auch nicht für Größenwahn, bei der im April 2002 anstehenden Landtagswahl stärkste Partei zu werden.
Doch der dubiose Klinikunternehmer und und Immobilienspekulant Marseille löst nicht nur in der Presse und im Zielgebiet Unbehagen aus. Als in Magdeburg das Schill-Büro eröffnet wurde, fehlten sogar einige der bisherigen Schill-Jünger.
Noch bevor die „Rechtsstaatliche Offensive“ in Ostdeutschland offensiv werden kann, hat sie sich faktisch bereits gespalten: Unter der Leitung des Bundeswehr-Oberleutnants Norbert Hoiczyk und des Kriminaloberkommissars Wolfgang Koch gründeten Ende November 21 Personen die „Rechtsstaatliche Bürger-Partei“ BRP.
Die Person Marseille sowie die „zentralistisch von Hamburg gesteuerte Politik“, so Hoiczyk, hätten die ostdeutschen Gesinnungsfreunde verprellt. Und Koch entschuldigte sich bei allen „Irregeführten“ dafür, sie für die Schill-Partei geworben zu haben. Man führe aber keinen Kampf gegen Schill, betont der BRP-Vize Koch. Es laufe auch nicht darauf hinaus, jetzt getrennt zu marschieren und nach der Landtagswahl vereint zu schlagen.
Da wäre schon die Person Marseilles vor, den Parteichef Hoiczyk den „Berlusconi Deutschlands“ nennt. Der 41-jährige Hoiczyk war 21 Jahre lang bei CSU und CDU. Er erinnert sich, dass Marseille einst zum „Freundeskreis Helmut Kohl“ gehörte. Dort habe man ausgekungelt, wegen der Krise der etablierten Parteien über Strohmänner „emotionale Parteien“ zu gründen, die frustrierte Wähler binden und später mit der CDU koalieren könnten. Hoiczyks Verdacht: Schills Ost-Ausleger ist ein solcher „Strohmann“ der CDU.
Hoiczyk weist außerdem darauf hin, dass Schill nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des „Richters Gnadenlos“ von Marseille mit etwa 100.000 Mark finanziert worden sei. Für ihn ein Beleg für das Primat wirtschaftlicher Interessen der Schill-Anhänger. Dazu zählen Hoiczyk zufolge auch auch Marseilles finanzielle Forderungen gegen das Land Sachsen-Anhalt in Höhe von 100 Millionen Mark. Aus Brandenburg hat Marseille bereits 85 Mllionen herausgeholt. Kläger sind die Betreibergesellschaften seiner acht Seniorenheime. Es geht um die nachträgliche Eintreibung von Fördermitteln für Investitionen nach dem Pflegegesetz, wobei Marseille allerdings auf eigene Faust und ohne die Einordnung in die regionalen Pflegestrukturpläne gebaut hatte. Und es geht, so wird vermutet, um die Begleichung seiner 426 Millionen Mark Unternehmensschulden.
Während die BRP großen Zulauf und die Unterstützung von IHK, Wohlfahrtsverbänden und potenten Großspendern vermeldet, hält auch die Original-Schill-Partei an der Ausdehnungsabsicht auf alle Bundesländer mit Ausnahme Bayerns fest. Auch in Sachsen sollen Anfang Januar Werbeveranstaltungen stattfinden. 70 Aufnahmeanträge gebe es hier bereits.
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