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Stationen einer Bremer Irrfahrt

■ Stillende Mutter aus Kurdistan sieben Stunden bei der Polizei festgehalten / Kleinkinder blieben allein in der Klinik / Flüchtlingsinitiative und Krankenhauspersonal empört

„Wir haben kein schlechtes Gewissen“, heißt es bei der Bremer Polizei. Man habe den Fall der 20-jährigen Nazli C. schließlich gründlich prüfen müssen. Es habe Verdacht auf illegale Einreise und auf Einschleusung bestanden. Deshalb sei die junge Mutter zweier Kleinkinder neulich fast sieben Stunden lang bei der Polizei aufgehalten worden – während die Kleinen, ein dreimonatiges Stillbaby und ein 14 Monate alter Junge, allein in der Professor-Hess-Kinderklinik bleiben mussten. Dort waren Mutter und Kinder, offenbar kurdischer Herkunft, nur sommerlich bekleidet und offenbar orientierungslos erst in der Nacht zuvor eingetroffen.

Im Krankenhaus hat das Vorgehen der Polizei ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst. Hier geht man davon aus, dass die junge Mutter und die gesundheitlich angeschlagenen Kinder einiges durchgemacht haben, bevor eine türkischsprachige Familie sie zufällig nachts am Bremer Hauptbahnhof entdeckte und in die Klinik brachte. Frierend, verängstigt und orientierungslos, offenbar gerade erst in Deutschland angekommen. Nur in Schlappen und ohne Jacke, nach einer längeren Autofahrt ausgesetzt – von Schleusern vermutlich –, hatte die Mutter hier verzweifelt ihren Ehemann gesucht.

„Die Kinder waren im Krankenhaus doch in guter Obhut“, sagt dagegen ein Polizeisprecher. Auf dem Revier habe man sich um die Frau gekümmert und ihr hinsichtlich eines möglichen Asylanspruchs Adressen aufgeschrieben – mit Hilfe einer türkischsprachigen Krankenschwester, die kurz mitgekommen war. Nazli C. jedenfalls berichtet, im Revier stundenlang allein und unbeachtet sitzen gelassen worden zu sein.

Zwar hätten die Polizisten ihr eine Jacke gegeben, ihre mehrfachen Bitten, zu den Kindern zurückzu dürfen, aber ignoriert. Nutzlos blieb auch ein Schreiben der Klinik, wonach die Anwesenheit der Mutter bei ihren Kindern im Krankenhaus erforderlich sei.

Man habe von diesem Schreiben Kenntnis gehabt, heißt es bei der Polizei. Aber die Bearbeitung des Falles habe eben gedauert. Auch ein Dolmetscher wurde nicht hinzugezogen, ergibt sich aus dem Polizeiprotokoll. Ebenso, dass die Erkennungsdienstliche Behandlung der Frau – nach vier Stunden Aufenthalt im Steintor-Revier – weitere zwei Stunden dauerte. Erst um zehn Uhr nachts wurde die Frau in die Klinik zurückgebracht. Mittlerweile hatte sogar die besorgte Ärztin versucht, die Rückkehr der Mutter zu beschleunigen.

„Die Frau war hilfsbedürftig und verwirrt“, sagt Holger Dieckmann von der Flüchtlingsinitiative. Der Umgang der Polizei mit einer – zudem stillenden – Mutter zweier kleiner Kinder, von denen eines anschließend sieben Tage in der Klinik bleiben musste, sei „skandalös“.

Der Einsatz des Krankenhauses – wo man diesen Fall als bislang einmalig einschätzt – sei dagegen vorbildlich gewesen. „Man hat sich richtig bemüht zu helfen und eine Unterkunft für die drei zu finden.“ Unerklärlich sei ihm jedoch, warum die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZAST) sich am Morgen, nachdem Mutter und Kinder in Bremen aufgefunden wurden, für nicht zuständig erklärt hatte. Deshalb sei die Kurdin, die mittlerweile einen Asylantrag gestellt hat, von der Polizei aus der Klink geholt worden.

„Die Betreffende hat wohl niemandem gesagt, dass sie Asyl haben möchte“, sagt dazu der Leiter der ZAST, Wolfgang Scheibler. Er irrte – wie sich später herausstellte – als er dem Krankenhaus deshalb empfahl, die „Rückführungsgruppe“ des Ausländeramtes einzuschalten. Doch gestern wurden die Mutter und ihre Kinder nach Bielefeld gebracht, wohin sie gemäß dem bundesweiten Verteilungsverfahren in einer anderen ZAST untergebracht wurden.

Eva Rohde

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