Willkommen in Daums Welt

Die Zeugen in Christoph Daums Drogenprozess sorgen mehr für Unterhaltung als für Aufklärung und zeigen, in welchen Kreisen er sich bewegt hat. Heute sagt der leibhaftige Münchhausen aus

aus Koblenz BERND MÜLLENDER

„Also, da bin ich überfraacht. Da hab isch nisch drüber nachjedacht.“ Was über Daum geredet wurde? „Da habisch nisch drauf jeachtet.“ Wer hat Daum wann beliefert? „Ehrlisch: Man weiß ja jar nich mehr, wat man weiß.“ Vergesslichkeit, Wahrnehmungsschwäche und (vorgespielte) Dummheit sind wichtigste Merkmale der Zeugenaussagen im Koblenzer Kokainprozess gegen den ehemaligen Leverkusener Fußballlehrer Christoph Daum. „Also wissen Se, Herr Rischter, das hab ich vergessen. So wat geht bei mir hier rein, da raus.“ So geht das ständig in den letzten Wochen. Zeugen, gern einschlägig vorbestraft, geben sich bemüht unbemüht. „Kann sein, kann auch nich.“ Dann wird der Staatsanwalt giftig: „Sie winden sich wie ein Aal.“

Die Aale sind meist Figuren aus dem Milieu, eine bizarre Gemengelage aus Kleinganoven mit großem Ambitionen und plötzlich kleinlautem Ego. Es sind Kumpels aus dem Dunstkreis des Hauptangeklagten Rüdiger Klemens, Daums jahrelangem Bekannten. Klemens war eine Art Mädchen für alles im Kölner Bonotel, wo Daum anderthalb Jahre wohnte.

Bonotel-Chef Ronny Sporn, eine ganz besondere Dunkelweltgestalt, den der Richter „eine Art Hoteldirektor“ nennt, ist in einem anderem Verfahren selbst frisch angeklagt: In seiner Hotel-Wohnung wurden erhebliche Mengen Kokain gefunden, er soll die Drehscheibe für Hotelkunden gewesen sein. Nach Polizeierkenntnissen gab es auch immer „ein kleines Extra“ zu den Kokslieferungen: eine Tüte Marihuana. Der Kokser Daum also auch ein Kiffer Daum? Sporn gibt erst bei Beugehaftandrohung zu, dass Daum überhaupt bei ihm gewohnt hat.

Eine Zeugin weiß nur noch, dass die Wohnung „aussah unter aller Hypothek“. Aber Drogen? Daum? Ein anderer Zeuge sagt aus, der Klemens habe unentgeltlich Urlaub machen dürfen in Daums Mallorca-Domizil und sein Auto nutzen. Warum? Als Gegenleistung für Drogengeschäfte? Schulterzucken. „Ich würd Ihnen ja gern helfen, Herr Richter . . .“ Zur Dokumentation seiner zerebralen Fähigkeiten verhaspelt er sich danach beim Nachsprechen der Eidformel.

Auftritt Zeuge Wilhelm Luchs. Er weiß manches „vom Redensagen“ und prahlt mit „guten Kontakten zum DFB“. Luchs ist gelernter Justizangestellter, hat sich dann, wie er neckisch sagt, „hochgearbeitet und die Seiten gewechselt“. Diese feine Formulierung sogar für ausgelassene Heiterkeit im Saal. Grund: Der ausgiebige Schwadroneur ist verurteilter Scheinjurist, der jahrelang ohne jedes Examen auf der Düsseldorfer Kö eine florierende Anwaltspraxis betrieb. Immerhin gibt er zu Protokoll, auch Daums Lebensgefährtin Angelika Camm habe manchmal nachts bei Klemens Pulver bestellt. Also, soweit er wisse.

Daums Welt, seine zumindest indirekte Entourage. Eine Welt aus Erpressung, Dealerei, Zuhältertum und Gewalt, garniert mit Unappetitlichkeiten der lokalen Unterwelt. Ein Zeuge soll seine polizeiliche Aussage wiederholen. Er wendet sich devot an den Fußballtrainer: „Also, entschuldigen Sie, Herr Daum, ich habe da wohl gesagt: Dem Daum brennt der Arsch.“ Lachen. Daum lächelt gütig. Ein anderer bestätigt seine Kenntnisse über Kokslieferungen und guckt den Angeklagten an: „Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Daum.“

Die Stimmung ist bisweilen besser als die Anklage-Argumente. Als ein Zeuge mal wieder Erinnerungslücken offenbart, gibt der Richter viel belacht den Rezitator, als er polizeiliche Telefonabhör-Protokolle betont betont mit verteilten Rollen vorliest. „Verstehsse?“ – „Ja, äh.“ – „Du, kannste nich machen.“ – „Ja, äh . . .“ – „Nein, verstehsse . . .“ Als ein Zeuge das Alter einer Frau schätzen soll, die vermutlich minderjährig für den Daum-Spezl Klemens anschaffen ging, sagt er: „Also, jung, ja, nein . . . Die sah schon sehr verbraucht aus.“ Der Richter gibt ihm dafür „fünf Chauvipunkte“.

Die Daum-Anwälte nennen die Zeugen „gerichtsbekannte Hochstapler“, die mit ihrer „grotesken Schwätzerei“ wenig zur Sache beitragen. Zum Glück: Zwar diskreditieren sie Daum als Person, weil er sich in solchem Zwielicht heumtrieb, aber die Anklage kommt mit „all diesen Schmerlappen“ wenig weiter.

Heute, am neunten von neunzehn Verhandlungstagen, ist der Zeuge Franz Robens geladen, dessen Vorstrafenregister große Teile des Strafgesetzbuches abdeckt. Robens hat schon vor Wochen in einem Express-Interview abenteuerliche Geschichten von sich gegeben: etwa dass die Daum-Anwälte ihn für zwei Millionen Mark kaufen wollten.

Eins scheint sicher – vor Robens haben alle Schiss. Im Zeugenstand äußerte der Rausschmeißer aus einem Sauna-Club, er wolle nichts sagen, „wegen Angst vor Repressalien aus dem Täterkreis“. Der nächste: „Dem Robens traue ich alles zu. Der hat gute Kontakte zum BKA.“ Und weiter: „Dem will ich nicht nachts begegnen.“ Einer der Daum-Anwälte freut sich auf den großen Belastungszeugen: „Auf diesen Münchhausen können wir alle nur gespannt sein.“