Nächster Halt Kabul

Deutschland stellt Soldaten für UN-Truppe in Afghanistan, drängt aber nicht auf Führungsrolle. Großbritannien könnte Kommando übernehmen. Entscheidung des UN-Sicherheitsrat zieht sich

LONDON/BERLIN afp/dpa/taz ■ Die Bundeswehr wird Soldaten für die UN-Truppe in Afghanistan stellen, erklärte Bundeskanzler Schröder gestern bei einem Besuch von US-Außenminister Powell in Berlin. Powell begrüßte die deutsche Bereitschaft, „trotz des Engagements von 8.000 Soldaten auf dem Balkan“ in Kabul dabei zu sein. Im Gespräch sind laut Koalitionskreisen unter 1.000 Mann.

Großbritannien wird möglicherweise die Leitung der UN-Friedensmission in Afghanistan übernehmen. Nach britischen Presseberichten will die Regierung in London heute anlässlich eines Besuchs von Powell ihre Bereitschaft zur Führungsrolle verkünden. Ein Sprecher von Premierminister Tony Blair betonte gestern jedoch, alle Militäroperationen in Afghanistan würden unter US-Kommando stehen, solange Kampfhandlungen andauerten.

Deutschland scheint an einer Führungsrolle nicht interessiert zu sein. Regierungssprecher Heye sagte gestern, ihm sei „überhaupt nicht bekannt, dass Deutschland sich als lead nation (Führungsnation) angeboten hat“. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, er sehe keine Wahrscheinlichkeit, „dass Deutschland da an erster Stelle marschieren muss“.

Vor einer Truppenentsendung muss die UNO erst einmal Soldaten anfordern. Ein rascher UN-Beschluss ist aber nicht in Sicht. Nach dem bisherigen UN-Terminplan stehen diese Woche Zypern und Kongo auf der Tagesordnung des Sicherheitsrates. Somit ist fraglich, ob eine UN-Truppe einsatzbereit ist, wenn am 22. Dezember die neue Übergangsregierung in Afghanistan ihre Arbeit aufnehmen soll.

Falls es keinen schnellen Sicherheitsratsbeschluss gibt, wird nach Angaben der Bundesregierung eine Sondersitzung des Bundestags in der Weihnachtspause erforderlich.

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