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Protest in Belgien unerwünscht

Vor dem EU-Gipfel in Belgien verschicken deutsche Länderpolizeien Warnschreiben an Globalisierungskritiker. In Berlin wurden Ausreiseverbote erteilt – eines davon hat ein Gericht gestern wieder aufgehoben. Zehntausende Demonstranten erwartet

von YASSIN MUSHARBASH

Demonstrieren soll schwieriger werden. In mehreren Bundesländern versuchen Polizei und Innenministerien, Globalisierungskritiker davon abzuhalten, auf dem EU-Gipfel am Wochenende in Belgien zu demonstrieren.

In Berlin wurde dem Eifer der Beamten gestern eine Grenze gesetzt. Der Jugendliche Thomas S., dem ein Ausreiseverbot erteilt worden war, bewirkte in einem Eilverfahren, dass er doch noch nach Belgien fahren darf. Das Gericht befand, ein einmalig begangener Landfriedensbruch reiche nicht aus, um ihn an der Teilnahme an der Demonstration zu hindern. „Das Urteil könnte Folgen für andere Betroffene haben“, sagte sein Anwalt der taz.

In anderen Bundesländern wendet die Polizei jedoch unterschiedliche Methoden an, um angebliche Gewalttäter einzuschüchtern.

In einem so genannten Gefährderanschreiben, den das für Staatsschutz zuständige 4. Göttinger Polizeikommissariat an 13 linke Aktivisten versandte, heißt es: „Um zu vermeiden, dass Sie sich der Gefahr präventiver polizeilicher Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr (...) aussetzen, legen wir Ihnen hiermitnahe, sich nicht an den o.g. Aktionen zu beteiligen.“ Gemeint sind damit „demonstrative Aktionen gegen den EU-Gipfel“. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat in mehreren Fällen Meldeauflagen verfügt. Dort müssen sich die angeschriebenen Personen regelmäßig bei Polizeidienststellen melden. Eine Umfrage der taz ergab, dass in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg und dem Saarland die Behörden ähnliche Schritte einleiten. In Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sei noch nichts geplant.

Beim EU-Gipfel in Belgien werden zehntausende Demonstranten erwartet. Zu den Organisatoren der Proteste zählen das globlisierungskritische Bündnis Attac und der DGB.

Die Behörden begründen ihre Maßnahmen damit, Globalisierungskritiker könnten in Belgien gewalttätige Proteste planen. Bei Gipfeltreffen war es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei gekommen, zuletzt beim G-7-Gipfel von Genua im Juni.

„Die Adressaten unserer Briefe halten wir für Gefährder“, erklärte der Leiter der Göttinger Staatsschutzabteilung, Rolf Dietrich, gegenüber der taz. „Diese Leute sind uns nicht unbekannt.“

Jan Steyer, Aktivist der „Roten Hilfe“ in Göttingen und Empfänger eines „Gefährderanschreibens“, versichert, er selbst und mindestens vier weitere Empfänger seien niemals verurteilt oder verhaftet worden. Ein Ermittlungsverfahren gegen Steyer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sei nach drei Wochen eingestellt worden. Dennoch sei er offenbar in der „Gewalttäterdatei Links“ erfasst, die, wie Dietrich bestätigte, eine Grundlage der Empfängerliste sei. Steyer und einige weitere Göttinger werden in den nächsten Tagen eine Dienstaufsichtsbeschwerde sowie eine Klage wegen Nötigung einreichen. In der „Gewalttäterdatei Links“ sind nicht nur verurteilte Straftäter, sondern auch die Personalien von Demonstranten verzeichnet.

Gesetzliche Grundlage für Ausreiseverbote wie in Berlin (siehe Dokumentation) und Meldeauflagen ist eine Änderung des Passgesetzes aus dem Jahr 2000, die eigentlich gegen „Rowdytum im Zusammenhang mit internationalen Sportveranstaltungen“ gerichtet war. Bereits vor Genua wurde sie auf Globalisierungskritiker angewandt.

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