„Im Notfall mit Streik“

Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen wehrt sich gegen die Kita-Privatisierung. Die Sparvorschläge der Politiker seien phantasielos. Und Wowereit nur ein Verkündungsakrobat

„Wowereit sollte mal mit Mitgliedern seiner Gewerkschaft ins Gespräch kommen“

Interview RICHARD ROTHER
und ADRIENNE WOLTERSDORF

taz: Frau Stumpenhusen, Sie werden es allem Anschein nach mit einem rot-roten Senat zu tun kriegen. Eine bessere Konstellation als die Ampel?

Susanne Stumpenhusen: In der jetzigen Situation kommt es vor allem darauf an, wie die ehrgeizigen Sparziele des Senats umgesetzt werden sollen. Die Regierungskonstellation ist dabei erst einmal zweitrangig.

Aber der Geist ist doch ein anderer. Mit der PDS steht Ihnen ein Regierungspartner gegenüber, der explizit für ein sozial verträgliches Sparen eintritt. Das müsste Ihre Arbeit erleichtern.

Das hoffen wir. Aber das ist noch keine Garantie dafür, dass diese Vorgaben auch umgesetzt werden. Zu einer Regierung gehören ja zwei. Dass die PDS nicht an das Weihnachtsgeld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ranwill, ist ja lediglich eine Selbstverständlichkeit.

SPD und PDS haben ihr Sparziel bei den Staatsdienern immerhin um eine Milliarde gekürzt. Löst das keine Erleichterung aus?

Die zweite Milliarde hätte ohnehin nicht umgesetzt werden können. Stattdessen muss jetzt endlich die Verwaltungsreform auf den Weg gebracht werden.

Wo würden Sie im öffentlichen Dienst sparen?

Es gibt Gründe, warum ich nicht Finanzsenatorin werden will. Spaß bei Seite, wenn man zu einer effizienten bürgernahen Verwaltung kommen will, muss man Schwerpunkte setzen. Wir könnten uns viele unsinnige bürokratische Abläufe und Hierarchien sparen.

In den Fusionsbezirken wurde zum Beispiel eine doppelte Hierarchie eingezogen, weil bestimmte Herrschaften versorgt werden mussten. Das ist ungeheuerlich. Im Zuge der Verwaltungsreform muss das verbessert werden. Jede Verwaltung müsste mal ihre Aufgaben kontrollieren: Welche Leistung wird für den Bürger erbracht, und wie lange dauert es, bis ein Antrag abschließend bearbeitet ist?

Agiert die Politik fantasielos?

Die Vorschläge der letzten Woche waren ausgesprochen fantasielos. Die Prioritäten sind falsch gesetzt. Im Vordergrund steht nicht, wie etwas besser organisiert wird, sondern nur, wie viel gespart wird. In der Vergangenheit hat das schon nicht zum Erfolg geführt, über 50.000 Stellen haben wir im öffentlichen Dienst gestrichen – das heißt, weniger Beschäftigte erbringen die gleichen Leistungen. Trotzdem ist der Haushalt noch nicht saniert.

Ver.di hat in Berlin eine starke Machtposition. Wie weit gehen Sie bei den Sparbemühungen mit?

Die Sparleistung des öffentlichen Dienstes muss erst einmal anerkannt werden. Es kann ja nicht angehen, dass die Beschäftigten bluten müssen und das Geld dann wie bei der Bankgesellschaft verpulvert wird. Als Nächstes müssen wir an die Verwaltungsreform ran, sonst kriegen wir nicht einmal den soziaverträglichen Abbau von 15.000 Stellen durch Altersfluktuation so hin, dass am Ende nicht die Bürger und Bürgerinnen den Kürzeren ziehen. Und wir erwarten, dass von weiteren Privatisierungen und Ausgründungen Abstand genommen wird.

Bei den Kitas will der Senat offenbar an den Privatisierungsplänen festhalten. Wann gibt es einen Kita-Streik in der Stadt?

Eine Tarifflucht durch Ausgründungen machen wir nicht mit; dagegen wehren wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir streben jetzt einen neuen Kita-Tarifvertrag an und werden den neuen Senat auffordern, darüber zu verhandeln. Ab diesem Moment könnten wir mit Warnstreiks beginnen. Scheitern die Tarifverhandlungen, müssen wir im Notfall unsere Forderungen mit Streiks durchsetzen.

Noch ist aber gar nicht klar, ob die freien Träger die städtischen Kitas überhaupt haben wollen, die oft in einem baulich äußerst schlechten Zustand sind. Außerdem sind die beiden Formen der Kinderbetreuung nicht vergleichbar, weil bei den freien Trägern häufig auf die Mitarbeit der Eltern gesetzt wird, die bei den bezirklichen Einrichtungen nicht vorgeschrieben ist.

Streiken also ab Ostern die Kita-Erzieherinnen?

Ob es so weit kommt, hängt von den Plänen des neuen Senats ab.

Kann es mit Ver.di zu einer Berliner Sonderlösung kommen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen?

Jeder vernünftige Mensch weiß, dass Berlin nicht allein aus dieser Haushaltssituation herauskommen kann. Dringend müssen die Haupstadtaufgaben definiert werden, der Bund muss in die Verantwortung genommen werden. Wir haben teilungs- und vereinigungsbedingte Lasten zu tragen, die mit keiner anderen Stadt in der Republik vergleichbar sind. Als das Saarland und Bremen in einer extremen Haushaltsnotlage waren, ist man dort auch nicht auf die Idee gekommen, in erster Linie bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu sparen.

„Gegen Tarifflucht wehren wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“

Auf die Sonderlasten Berlins verweist auch Klaus Wowereit. Wo gehen Sie auseinander?

An allen Punkten, an denen suggeriert wird, der Haushalt ließe sich durch die Senkung der Personalausgaben sanieren. Berlin muss langfristig sein Einnahmeproblem lösen, die Wirtschafts- und Finanzkraft der Stadt ist viel zu gering. Selbst wenn man alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes entließe, müsste man noch fünf Milliarden Mark jährlich an Versorgungskosten tragen. Mit einer fantasielosen Politik verlagert man nur die Probleme.

Klaus Wowereit präsentiert sich der Bevölkerung als Integrationsfigur. Wie bewerten Sie seine Verhandlungsführung?

Wowereit ist ein Verkündungsakrobat. Er sollte seine integrativen Fähigkeiten mal dazu verwenden, mit den Mitgliedern seiner Gewerkschaft ins Gespräch zu kommen.

Das hat er noch nicht gemacht?

Nein. Wenn ich erst in der Zeitung erfahre, dass Wowereit einen Solidarpakt mit den Gewerkschaften anstrebt, steigert das nicht unbedingt meine Stimmung.

Aber sonst macht Ihnen der Job noch Spaß?

Na klar, ich stehe noch jeden Morgen auf und sage mir: Ich bin gern hier, ich bin gern hier, und alles wird gut.